Ludwigshafen Lebendiges Center, tote Innenstadt

91-71263553.jpg

Sommerredaktion (4): Fünf Jahre Rhein-Galerie – das ist gestern das bestimmende Thema bei der Sommerredaktion auf dem Platz der deutschen Einheit gewesen. 25 Millionen Kunden sind seither in das Einkaufszentrum geströmt. Mit dem Center sei Ludwigshafen an den Fluss gerückt. „Ein Gewinn für die Stadt“, bilanzierten die meisten Gäste.

„Absolute Erfolgsgeschichte“

Als „Initialzündung für Ludwigshafen“ bewertet Ernst Merkel (65) den weit über 200 Millionen Euro teuren Bau des 130 Shops beherbergenden Konsumtempels. Der heutige Chef der Wohnbaugesellschaft GAG hat ihn vor fünf Jahren als Dezernent mit eingefädelt. „Die Architektur ist überzeugend. Es war wichtig für uns, einen Zugang zum Rhein zu schaffen. Und ich bin richtig stolz, dass sogar Mannheim darauf reagiert und die Hafengebäude gegenüber renoviert hat“, sagt der CDU-Kreisvorsitzende am Rande der Sunset Lounge. „Ich kann mich noch sehr gut an die Gespräche mit dem Investor ECE erinnern. Der damalige Kämmerer Wilhelm Zeiser und ich haben hart verhandelt, uns die Bälle zugespielt, und Oberbürgermeisterin Eva Lohse war bemüht, Kompromisse zu finden“, plaudert er aus dem Nähkästchen. Eine Taktik, die sich ausgezahlt habe. „Die ganze Entwicklung am Rheinufer entlang trägt jetzt eine Handschrift“, findet Merkel. Von einer „absoluten Erfolgsgeschichte“ spricht auch Torbjörn Kartes, CDU-Fraktionschef im Stadtrat. „Die Öffnung zum Rhein ist ein großer Gewinn für die Stadt.“ Und die Schattenseiten? Natürlich sei man von Beginn an bemüht gewesen, die Nachteile für die Innenstadt abzuwenden, was aber speziell für die Fußgängerzone in der Bismarckstraße schwierig gewesen sei, räumt Merkel ein. Dafür habe die Gastronomie in der Bahnhofstraße profitiert. Der bis 2017 geplante Hotelbau auf dem Vorplatz runde das Ensemble mit dem Restaurant Tialini ab. „Der Bedarf dafür ist da“, glaubt Merkel. (ier) „Mehr als ein Einkaufszentrum“ Braungebrannt vom Mallorca-Urlaub und wie immer gut gelaunt ist Michael Cordier der erste Gast und verteilt – charmant wie er nun mal von Haus aus ist – gleich ein dickes Lob. „Ihre Sommerredaktion ist schon zur Marke geworden. Sie zeigt die Vielfalt der Stadt, die man bei 14 Ortsbezirken nicht auf einen Platz reduzieren kann“, sagt der Chef der Marketinggesellschaft Lukom. Die Rhein-Galerie hat für den 63-Jährigen ihren Platz in Ludwigshafen gefunden, spreche vor allem junges Publikum an und strahle in die ganze Region aus. „Zum Glück hat Ludwigshafen die Entwicklung nicht verschlafen, Einzelhandel unter einem modernen Dach zu bündeln.“ Aus der Fußgängerzone seien nicht mehr als eine Handvoll Läden in das Shopping-Center abgewandert. „Dennoch tut mir die Entwicklung in der Innenstadt weh“, sagt Cordier. Deren Zukunft sieht er in einem Mix aus Dienstleistung, Wohnungen und Fachhandel. „Die Top-in-Lu-Geschäfte beispielsweise leisten hier hervorragende Arbeit.“ Ludwigshafen mit seinen 167.000 Einwohnern und 110.000 Arbeitsplätzen ist für Cordier der Wirtschaftsmotor der Pfalz. Die Rhein-Galerie mit ihren 1200 Jobs sei ein wichtiger Baustein. „Dahinter steht ein Gesamtkonzept. Die Galerie ist mehr als nur ein Einkaufszentrum. Sie ist ein Erlebnis – angefangen von ihrem Vorplatz über die direkte Anbindung zum Fluss bis hin zur Architektur“, bilanziert Cordier. (ier) Mit dem Morgan nach Monaco „Die Rhein-Galerie hat sich hier behauptet“, sagen Edmund Keller (85) und Marcus Keller-Leist (42), Chefs des Schuhfachgeschäfts an der Ecke Wrede-/Ludwigstraße. Die zwei geplanten neuen Hotels im direkten Umfeld sprechen nach ihrer Ansicht für den Standort Ludwigshafen. Das Duo hat sich in diesem Sommer eine Vater-Sohn-Tour gegönnt, beide sind mit einem schicken Morgan über die Schweiz nach Cannes, Nizza, Monaco, Venedig und schließlich zum Gardasee gebraust. „Wir haben in zehn Tagen 4500 Kilometer abseits der großen Routen zurückgelegt und in kleinen Hotels übernachtet“, erzählen die Oldtimerfans begeistert über den Trip. Jetzt darf sich nach ihrer Ansicht der ausgedehnte Super-Sommer gerne verabschieden und das Herbstgeschäft Fahrt aufnehmen. Für die Frau seien der klassische Stiefel und der Pumps ein Muss, erklärt Keller-Leist. Betonte Sohlen lägen besonders im Trend. Aber auch die Stiefelette sei wieder sehr angesagt, und die Männer würden immer modebewusster, ergänzt Vater Edmund. Die alteingesessenen Schuhspezialisten setzen schon seit Jahren nicht nur auf den herkömmlichen Verkauf, sondern betreiben auch vier Shops im Internet. Das Netz-Geschäft mache inzwischen einen beträchtlichen Anteil am Umsatz aus, bilanziert der Seniorchef. Kunden aller Altersgruppen schätzen nach seiner Erfahrung die Möglichkeit, sich am Tablet oder Handy bequem die diversen Modelle anzuschauen und zu bestellen oder auch mit einem ausgedruckten Bild in den Laden zu kommen und dort zu kaufen. Dass Keller-Schuhe hochwertig und langlebig seien, habe sich herumgesprochen: „Ein Kunde aus Malaysia hat gerade einen Schuh bei uns bestellt, mit dem er 70.000 Kilometer um die Welt wandern will“, erzählt Keller. Der Vorsitzende des Einzelhandelsverbands ist sich sicher, dass der Mann keine Probleme haben wird. (evo) Kein Konzept für Rathaus-Center Die Rhein-Galerie macht Rainer Metz (57) keine Sorgen. Das dort geplante Hotel sieht er als Chance für den Tagungsbetrieb im Pfalzbau. Aber die vielen Leerstände im benachbarten Rathaus-Center findet der FWG-Politiker alarmierend. „Für den bevorstehenden Teilabriss des Centers wegen des geplanten Stadtstraßenneubaus gibt es noch kein Konzept“, kritisiert der Friesenheimer. Im Rathaus herrsche dazu großes Schweigen. Von dem Abriss betroffen seien Geschäfte wie Rewe, Nordsee oder auch das Reformhaus Escher, die alle erst vor Kurzem ihre Läden komplett neu gestaltet hätten. Auch die Ludwigstraße hat nach Metz’ Einschätzung als Einkaufsstraße keine Zukunft mehr. „Das geht so nicht mehr“, fordert der FWG-Fraktionsvorsitzende eine Umwandlung der Ladenlokale in Wohn- und Geschäftsräume. Metz hat bisher nur einen Kurzurlaub an der Nordsee verbracht, weil er in seiner Tierarztpraxis alle Hände voll zu tun hat. „In Emden kann man tolle Radtouren an den Kanälen unternehmen“, schwärmt er trotzdem von den wenigen erholsamen Tagen. Im Herbst geht’s dann dafür etwas länger auf die Kanaren. (evo) „Platz hervorragend bespielt“ Für Stefan Tielkes (46) ist das Areal rund um die Rhein-Galerie der schönste urbane Ort in der Region. „Die Galerie bespielt den Platz der deutschen Einheit hervorragend“, findet der Stadtmarketing-Abteilungsleiter. Zum geplanten Hotel sagt der Westfale, der in Süd lebt: „Das ist interessant, Konkurrenz belebt das Geschäft.“ Seinen Urlaub hat Tielkes noch vor sich, er freut sich auf die griechische Insel Santorin, bevor er sich dann in die Vorbereitung des Ludwigshafener Weihnachtsmarkts stürzen wird. An einigen Stellen in der Stadt soll es Veränderungen geben, und auch auf ein großes Objekt wie die begehbare Weihnachtskugel im Vorjahr dürfen sich die Ludwigshafener wieder freuen, verrät er. Beim Lichterzauber werde die Marketinggesellschaft Lukom wieder mit der Hamburger Firma Lumina zusammenarbeiten. Neben dem Weihnachtsmarkt am Berliner Platz wird an der Rhein-Galerie auch wieder das sogenannte Winterdorf seine Zelte aufschlagen, wie Center-Manager Christoph Keimes ankündigt. (evo) Lob und Kritik von Passanten Christian Neumann (65) nutzt die Rhein-Galerie regelmäßig als Treffpunkt, wie er uns erzählt. Drinnen war er aber erst ein paar Mal, denn er kommt aus Speyer und fährt nicht oft nach Ludwigshafen. „Die Galerie an sich ist sehr schön, ich bin gerne dort“, meint der Rentner. Doch „die Innenstadt war auch mal schön“, das sei leider vorbei. Die Fußgängerzone habe unter der Rhein-Galerie stark gelitten, bedauert er. „Es lohnt sich jetzt nicht mehr, dorthin zu gehen.“ „Das größte Problem der Rhein-Galerie ist doch das schlechte Image der Innenstadt“, findet Albrecht Buzov (52). „Die ist total versifft. Deshalb will hier niemand investieren.“ Vor 30 Jahren habe es noch Fachgeschäfte und vielfältige Gastronomie in der Fußgängerzone gegeben. Heute komme kaum einer mehr zum Einkaufen nach Ludwigshafen. „Darunter leidet auch die Rhein-Galerie.“ Der Platz davor und das imposante Gebäude gefallen dem Sozialarbeiter ausgesprochen gut. Doch auch hier sieht er Defizite: „Man muss den Platz auch nutzen. Momentan ist das tote Fläche.“ Mit dem Fahrrad nach Ludwigshafen zur Sommerredaktion gestrampelt ist Horst Kullmann (75) aus Altrip. „Ich gehe hier öfter in der Woche einen Kaffee trinken“, erzählt er. Für den Kleiderkauf sei seine Frau zuständig. Zur Rhein-Galerie meint er: „Zuerst war sie etwas ungewohnt am Platz, aber am Rhein ist es immer schön.“ In der Innenstadt sei alles kaputt. „Die Ludwigstraße ist tot, die Bismarckstraße ist tot“, bedauert der Rentner. (sor/gpl) Sommerredaktion heute Zum Abschluss der Sommerredaktion machen wir heute von 10.30 bis 13 Uhr auf dem Lutherplatz Station. Thema: Flüchtlinge in Ludwigshafen.

91-71263554.jpg
91-71263551.jpg
91-71271981.jpg
91-71271989.jpg
x