Ludwigshafen Konsens oder Nonsens?

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Die Kollegen des „Spiegel“ sind ja traditionell extrem gut informiert. So gut, dass man manchmal den Eindruck hat, die Edelfedern aus Hamburg sitzen auch bei geheimsten Sondersitzungen direkt auf dem Schoß der Diskutanten. Regierungssprecher Steffen Seibert – früher aufstrebender ZDF-Moderator, heute Flüstertüte der Kanzlerin – nennt diesen „Spiegel“-Stil übrigens „imaginierten Journalismus“. Darauf muss man erst mal kommen. Wie man eine (ausgezeichnete) Reportage („Am Stellpult“) über den Keller des Ferienhauses von Horst Seehofer und dessen Modelleisenbahn schreiben kann, ohne jemals in den heiligen Hallen des CSU-Oberschaffners gewesen zu sein, hat uns das womöglich investigativste aller Nachrichtenmagazine bereits 2010 demonstriert. Chapeau! Selbst wenn die Jury des Henri-Nannen-Preises Autor René Pfister die dafür ausgelobte Egon-Erwin-Kisch-Krone im Nachhinein wieder absetzte. Das davon leicht brüskierte Verlagshaus sprach in einer Stellungnahme von einer szenischen Rekonstruktion. Zitat: „Jede Reportage besteht nicht nur aus Erlebtem, sondern auch aus Erfragtem und Gelesenem.“ Nur zur Erinnerung: Vor fünf Jahren war noch nicht von der Lügenpresse die Rede, von der Affäre „Märklin-Gate“ aber schon. „Spiegel-Redakteur entgleist in Seehofers Hobbykeller“, titelte das „Hamburger Abendblatt“ damals spöttisch. Besagter Reporter Pfister hat in der aktuellen „Spiegel“-Ausgabe (47/2016) nun wieder an einer Geschichte mitgestrickt, bei der er und sieben (!) Kollegen unter dem Titel „Einfach machtlos“ minutiös nachzeichnen, wie es Angela Merkel angeblich passieren konnte, den Kampf ums Schloss Bellevue zu verlieren. Sprich: Warum die CDU keinen Bewerber aus ihren Reihen fürs Amt des Bundespräsidenten gefunden hat. Erneut war das Recherche-Team ganz nah dran. Und besser unterrichtet als mancher Betroffene. So steht auf Seite 36 unter der Zwischenüberschrift „6. Oktober, Berlin, Kanzleramt“: (…) „Der CSU-Chef bringt zusammen mit Merkel mögliche Konsenskandidaten ins Spiel: Die ehemalige Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Oder die Präsidentin des Städtetags, Eva Lohse. Gabriel lehnt ab.“ Ja, sie haben richtig gelesen. Angeblich soll die Ludwigshafener OB kurz im Gespräch gewesen sein fürs höchste Amt im Staat. Darauf angesprochen, meinte die 60-Jährige gestern einerseits: „Wenn das stimmen sollte, wäre das die größte aller möglichen Ehrungen überhaupt.“ Andererseits relativierte sie: „Ich weiß ja gar nicht, ob das stimmt.“ Lohse erfuhr von der „Spiegel“-Story nämlich erst, als ihr die RHEINPFALZ den Artikel auf Bitten des persönlichen Referenten ins Rathaus faxte. Eigentlich jammerschade, dass Lohse nicht zum Zug kam. Jetzt, da sie nicht mehr fürs OB-Amt kandidiert, hätte sie jede Menge Zeit …

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