Ludwigshafen „Irgendwo müssen die Mannheimer ja hin“

Marode: Das Mannheimer Nationaltheater soll ab 2021 vier Jahre lang saniert werden.
Marode: Das Mannheimer Nationaltheater soll ab 2021 vier Jahre lang saniert werden.

Auf das Gastspiel „Die Odyssee“ des Hamburger Thalia Theaters haben zwar ziemlich viele Ludwigshafener Theaterbesucher mit vorzeitigem Verlassen der Vorstellung, ungläubigem Kopfschütteln und Bemerkungen wie „Was für ein Mist“ oder „Albern, einfach nur albern“ reagiert. Aber grundsätzlich scheint die Stimmung im Pfalzbau-Publikum doch sehr positiv zu sein, und die Arbeit des Intendanten Tilman Gersch wird durchweg anerkannt. „Wir erleben hier Gastspiele des Wiener Burgtheaters und des Deutschen Theaters Berlin, das Tanztheater hat eine internationale Qualität“, sagt Heidemarie Gebhardt-Cordero. „Ich sehe schon die Gefahr, dass das eigene Programm geschwächt wird, wenn das Haus dem Nationaltheater zur Verfügung gestellt wird.“ Nicht nur, weil sie eine regelmäßige Theatergängerin ist, sondern auch in ihrer Rolle als bürgerschaftliches Mitglied des städtischen Kulturausschusses ist die 65-jährige Friesenheimerin mit dem Thema vertraut. „Wenn das Nationaltheater für mehr als drei Jahre hierher ausweicht, wird es sehr schwer, hinterher den Status quo wiederherzustellen“, glaubt sie. Sie sei früher häufiger im Nationaltheater gewesen. Aber vor allem wegen seines für sie als unattraktiv empfundenen baulichen Zustands sei sie länger nicht mehr dort gewesen. Schon länger? Bei Jürgen und Leonore Teepe ist der letzte Besuch im Nationaltheater etwa 40 Jahre her. „Wir kennen niemanden mehr aus dem Ensemble, das war früher anders“, sagt Leonore Teepe (80). „Und es ist zu umständlich für uns, nach der Vorstellung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach Hause zu fahren“, ergänzt ihr Mann Jürgen (83). Wenn sie im Pfalzbau waren, fahren sie vom Berliner Platz aus bis direkt vor ihre Haustür im Stadtteil Niederfeld. Und im Pfalzbau sind sie oft. „Wir haben ein Schauspiel-Abo, seit der neue Pfalzbau 1969 eröffnet wurde“, sagt Leonore Teepe. Das derzeitige Programm finden sie „zum größten Teil gut“. Deswegen ist für das Ehepaar klar: „Das Nationaltheater kann hier freie Kapazitäten nutzen. Aber nur, wenn Platz ist. Und nur zu den Bedingungen, die der Pfalzbau stellt.“ „Es ist eine glückliche Fügung, dass der Intendant es schafft, tolle Bühnen nach Ludwigshafen zu holen“, sagt ein 51-jähriger Friesenheimer, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte. So erinnert er sich zum Beispiel sehr gerne an die „Tartuffe“-Inszenierung der Schaubühne Berlin mit Lars Eidinger, die er vor drei Jahren im Pfalzbau gesehen hat. „Wenn das Nationaltheater hier fünf Jahre lang Platz beansprucht, werden eigene Ideen zur Seite gedrängt“, befürchtet der Mann. „Dann wird Ludwigshafen vielleicht nicht mehr so wahrgenommen.“ Er besucht zwar auch das Mannheimer Theater, findet das Programm auf der hiesigen Rheinseite aber „wesentlich interessanter“. Zur Opernsparte des Nationaltheaters kann er nichts sagen: „Ich bin nur schauspielinteressiert.“ Eine etwas andere Sicht auf die Problematik haben Rainer und Marianne Wütscher aus Lingenfeld bei Speyer. „Es ist doch gut, dass das Nationaltheater nicht ganz zugemacht wird“, sagen der 73-Jährige und die 64-Jährige, die dort zuletzt den Monolog „Judas“ mit Samuel Koch gesehen haben. Das Ehepaar ist sich sicher, dass die Mannheimer sich als Gäste in Ludwigshafen „dankbar erweisen“ würden. Die in Ludwigshafen immer wieder geäußerte Befürchtung einer „freundlichen Übernahme“ auf Kosten des eigenen Profils erklärt Rainer Wütscher, der selbst aus Ludwigshafen stammt, mit dem – gelinde gesagt – traditionell nicht sehr stark ausgeprägten Selbstbewusstsein gegenüber der größeren Stadt auf der anderen Seite des Flusses. Bärbel Zalbach-Wenz wundert sich etwas über die Diskussion – was vielleicht dadurch zu erklären ist, dass sie in Brühl lebt. „Das sind doch zwei Theater auf Augenhöhe“, sagt die 64-Jährige. „Irgendwo müssen die Mannheimer ja hin. Und es könnte doch eine Chance für Ludwigshafen sein, dass die Mannheimer auch mal zu ihnen kommen.“ Ähnlich sieht es auch Simone Mahgoub. Sie kenne einige Lehrer, die mit ihren Klassen regelmäßig Vorstellungen im Nationaltheater besuchen, sagt die 53-Jährige aus dem Stadtteil Süd. Wenn es gelinge, diese Klassen in Zukunft eher in den Pfalzbau zu locken, könne doch Ludwigshafen am Ende sogar profitieren. Kultur Ihre Meinung Was halten Sie vom Ansinnen des Nationaltheaters, den Pfalzbau zum Ausweichquartier zu machen? Welche Chancen sehen Sie und welches Risiko? Ihre Meinung interessiert uns! Wir freuen uns über E-Mails an redlud@rheinpfalz.de.

Prachtvoll: Der Pfalzbau schwebt der Mannheimer Oper als Ausweichquartier ab 2020 vor.
Prachtvoll: Der Pfalzbau schwebt der Mannheimer Oper als Ausweichquartier ab 2020 vor.
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