Mannheim Im Sog des Surrealismus: Britta Habekost im Cinema Quadrat

Britta Habekost bei ihrer Lesung in Mannheim.
Britta Habekost bei ihrer Lesung in Mannheim.

Die französische Hauptstadt Paris, gemeinhin als Stadt der Liebe bekannt, wird im dritten Krimi von Britta Habekost zur „Stadt der Mörder“. Die Bad Dürkheimerin präsentierte ihren neuen Roman, der ins historische Milieu der Surrealisten führt, umrahmt von Filmen der Zeit im Mannheimer Cinema Quadrat.

Die Surrealisten waren „die Schleusenmeister der Moderne“, befindet Habekost, die in Stuttgart Kunstgeschichte und Germanistik studiert hat. „Ich bin sehr sehr gerne geistig zu Hause in dieser lange vergangenen Welt, die sich trotzdem immer wieder so modern und aktuell anfühlt.“ So führt sie mit „Stadt der Mörder“ ihre Leser ins Paris des Jahres 1924 und lässt sie auf surrealistische Künstler und Autoren wie Man Ray, André Breton, Louis Aragon, Robert Desnos und Philippe Soupault treffen.

Die Filme der Surrealisten erschüttern noch immer

Man Rays avantgardistische Kurzfilme „Die Rückkehr zur Vernunft“ und „Der Seestern“, René Clairs „Entr'acte“ und – der bekannteste unter ihnen – „Ein andalusischer Hund“ von Luis Buñuel und Salvador Dalí, spielen im Roman keine Rolle, führen im Cinema Quadrat aber anschaulich und erlebbar jene Zeit und jenen Geist vor Augen, den Habekost auf rund 460 Buchseiten wiederauferstehen lässt.

„Ich finde, ,Ein andalusischer Hund’ ist immer noch starker Tobak, obwohl wir heutzutage bildertechnisch schon so abgestumpft sind“, urteilt die sachkundige Autorin. „Dieser Film hat immer noch eine unglaublich erschütternde Kraft.“ Seine bekannteste Einstellung, die Rasierklinge, die schmerzhaft durch ein Auge schneidet, fahre sozusagen auch in das Auge des Betrachters, der sich hier 1929 auf eine völlig neue Erzählwelt einlassen musste. „Fast ein bisschen so wie der arme Polizist, der jetzt am Place du Panthéon ermitteln muss“, leitet Britta Habekost zum ersten Kapitel ihres Romans über, der eine Mordserie im Umfeld der Surrealisten erfindet.

Der Leichnam eines jungen Adligen

Es ist Dezember, als Lieutenant Julien Vioric sich über den Leichnam eines jungen Adligen beugt, der in einem Jutesack steckt. Daneben liegt ein toter Taschenkrebs, in einer Geschichte, die bald auch zu Lysanne Magloire führt, einem unbedarften Mädchen vom Lande, das in Paris nach seiner verschwundenen Schwester sucht. „Wie das eben so ist mit haltlosen jungen Damen des frühen 20. Jahrhunderts“, benennt Habekost ein gerne kolportiertes Klischee, „gerät sie sehr schnell auf interessante Abwege“.

Der Surrealismus, erläutert die Autorin, die auch unter dem Pseudonym „Nora Schwarz“ publiziert, entstand als geistige Geburt aus den erschütternden Erfahrungen des Ersten Weltkriegs und spielt mit den Grenzerlebnissen des Bewusstseins wie der künstlerischen Fruchtbarkeit menschlicher Abgründe. Aus diesen verborgenen Tiefen heraus verwebt sich der Krimi besonders mit der Literatur jener Zeit, in der das Finstere und Abseitige schlummert. „Die Surrealisten“, so Habekost, „waren angetreten, um die Wirklichkeit neu zu verhandeln. Mich begeistert die Sprache, die dadurch entstand“, ein gleichsam anarchistischer Flirt mit dem Absurden, Phantastischen und den Kräften des Unbewussten.

„Ich habe mich schon als kleines Mädchen brennend für alte, versunkene Welten interessiert“, berichtet die 39-Jährige, die „Stadt der Mörder“ ihrem Mann, dem Pfälzer Comedian Christian „Chako“ Habekost, gewidmet hat. Zusammen mit ihm hat die gebürtige Heilbronnerin, die in Ludwigsburg aufgewachsen ist, auch die vier „Elwenfels“-Regionalkrimis „Rebenopfer“, „Winzerfluch“, „Rieslingmord“ und „Weingartengrab“ verfasst.

Ihr nächstes Buch knüpft an „Stadt der Mörder“ an

In „Stadt der Mörder“ spielt bald das über einen langen Zeitraum in Vergessenheit geratene so schockierende wie einflussreiche Buch „Die Gesänge des Maldoror“ (1874) von Comte de Lautréamont eine entscheidende Rolle, verrät Habekost. „Das Buch ist absolut zersetzend und gleichzeitig von einer unfassbar sprachlichen Brillanz und Vielseitigkeit“, so die Schriftstellerin. „Es hat die Surrealisten geistig befruchtet wie nichts anderes“.

Ihr nächstes Buch, kündigt sie an, werde im Oktober unter dem Titel „Melodie des Bösen“ erscheinen. „Das schließt mit denselben Figuren direkt an ,Stadt der Mörder’ an. Nur die Surrealisten spielen da nicht mehr so eine große Rolle, sondern in dieser Fortsetzung wird es um Jazzmusik und Art déco gehen.“

Lesezeichen

Britta Habekost: „Stadt der Mörder“, 462 Seiten, 20 Euro, Penguin Verlag.

x