Ludwigshafen „Ich mache nichts über Tagespolitik“

Herr Kannegieser, wie sind Sie Kabarettist geworden?

Angefangen hat alles mit „Scheiermanns Lina“, das waren Mundartgedichte. Ich habe Gedichte und Prosa geschrieben, war in einem Autoren-Verein, habe als Mitherausgeber eine Literaturzeitschrift veröffentlicht. Die Gedichte mit „Scheiermanns Lina“ hat ein Verleger entdeckt und gesagt, da könne man was draus machen. Das wurde ein Gedichtband und der wurde ein Riesenerfolg. Das war so um 1981/82. Ich werde in meinem 30-Jahre-Programm auch darauf eingehen. Und wie wurden Sie vom Autor zum Kabarettisten? Ich habe bei den Lesungen zu den Gedichten was gesagt, in Mundart. Das ist immer mehr geworden, so dass ich irgendwann mehr „verzehlt“ als gelesen habe. Das fanden die Leute auch interessanter. Ihre Figur schaut den Leuten aufs Maul, aber dann legen Sie noch etwas drauf ... Ach, da bin ich gar nicht so sicher. Ich muss manchmal eher was wegnehmen, sonst denken die Leute, das wär zu arg (lacht). Inzwischen kann ich so in meiner Figur leben, dass ich die Welt ganz mit ihren Augen sehen kann. Gibt es Themen, die Sie lieber nicht anpacken? Ich mache nichts über Tagespolitik. Es gibt Kabarettisten, die das können. Aber es gibt halt viele, die nur die Fronten abklären. In deren Programm sitzen nur Leute, die auch deren Meinung sind. Die anderen gehen gar nicht hin. Das hat auch seine Berechtigung. Aber es ändert sich dadurch nichts. Wie ist es bei Ihnen? Ich locke die Leute damit, dass sie bei mir lachen können. Deshalb kommen zu mir auch Zuhörer, die ganz anders denken als ich. Und plötzlich sehen sie sich konfrontiert mit sich selber – womit sie gar nicht gerechnet haben. Meine Figur kann im Lachen verbinden, und trotzdem entlarven. Wenn einer etwas entlarvt, will er etwas verändern. Was wollen Sie verändern? Ich stehe jeden Morgen mit der Hoffnung auf, dass dort, wo ich heute hinkomme, die Welt ein kleines bisschen angenehmer wird. Wenn jeder so denken würde, ginge es uns allen besser. Das ist letztlich die Antwort auf die Frage, die mein Programm in seinem Titel stellt: „Warum verzehl’ ich Eich des ...?“ Einerseits lieben Sie Mundart, andererseits wollen Sie damit etwas entlarven. Ist das ein Widerspruch? Nein, das geht in meinen Augen gut zusammen. Ich kann in Mundart alle Themen behandeln, die ich in Schriftsprache angehe, ich muss es nur mit einer anderen Intention angehen, nämlich aus dem Herzen. Die Schriftsprache wird eher aus dem Kopf formuliert. Wenn ich in Mundart gehe, gehe ich vielleicht noch etwas tiefer als in Schriftsprache. Die Leute nehmen mehr mit. Sind Sie schon mit Themen auf die Nase gefallen? Ich bin schon mit quasi todsicheren Programmen auf die Nase gefallen. Da hat scheinbar niemand reagiert. Aber hinterher kommen dann Leute und sagen: „Es war so schön.“ Nur gehen die halt zum Lachen in den Keller. Gibt es sprachbedingt Grenzen Ihres Auftrittsgebiets? Nein, ich habe schon in Stuttgart und Berlin gespielt. Aber es ist schon der Südwesten, in dem ich 95 Prozent der Auftritte habe. Die Leute anderswo brauchen vielleicht ein bisschen, um sich einzuhören, aber dann läuft es. Gibt es noch Kreise, die auf das Pfälzische herabsehen und die Mundart für hinterwäldlerisch halten? Ja, das gibt es bei jeder Mundart. Es liegt dann an mir zu zeigen, dass das nicht richtig ist. Nicht die Mundart ist reduziert, sondern jemand, der sie ignoriert. Wenn Sie auftreten, hat man das Gefühl, dass Sie einfach drauflos plaudern und dass Sie wirklich so sind ... Ja, das ist natürlich gefährlich. Weil ich selber gar nicht so bin. Zum Beispiel trinke ich gar kein Bier. Und ich bin privat eher wortkarg. Ich kann Stunden still dasitzen und anderen zuhören. Und so auf Leute zugehen wie der Bühnen-Kannegieser, jeden anquatschen und gleich per Du sein, das würde mir privat nie einfallen. Das Dampfplaudern auf der Bühne ist natürlich einstudiert. Da kann ich so tun, als wäre mir alles gerade eben eingefallen. Und nach 30 Jahren kann ich ganz in die Figur eintauchen. Termin Gerd Kannegieser „Warum verzehl’ ich Eich des ...?“, Sonntag, 26. August, 11 Uhr, Schreiwer-Hais’l, Schifferstadt, Lillengasse 5. Die Plätze sind begrenzt, Anmeldung wird empfohlen bei Beate Holzwarth, Telefon 06235/98596.

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