Menschen aus der Stadt Harri Essenburger unterstützt als Jobpate junge Menschen mit ADHS

Harri Essenburger engagiert sich als ehrenamtlicher Jobpate beim Verein „Selbständigkeitshilfe bei Teilleistungsschwächen“.
Harri Essenburger engagiert sich als ehrenamtlicher Jobpate beim Verein »Selbständigkeitshilfe bei Teilleistungsschwächen«.

6 Uhr aufstehen, 7 Uhr ins Bad, 8 Uhr beim Arbeitgeber sein: Es sind Checklisten wie diese, die Jobpate Harri Essenburger mit seinen Klienten erstellt – jungen Menschen mit Aufmerksamkeitsstörungen, die Schwierigkeiten haben im Schul- und Berufsleben selbstständig zurechtzukommen.

„Den Tag zu organisieren, ist für Menschen mit ADHS oft eine große Herausforderung“, sagt Harri Essenburger, der sich als ehrenamtlicher Jobpate beim Verein „Selbständigkeitshilfe bei Teilleistungsschwächen“ (SeHT) engagiert. Vom berühmten Wochenplan nimmt der 76-jährige Friesenheimer bei seiner Arbeit deshalb Abstand. „Wer Schwierigkeiten hat, seine Probleme zu lösen, dessen ,Problemberg’ vergrößert sich mitunter stetig“, sagt Essenburger. Ein Wochenplan verfestige bei seinen Klienten deshalb eher das ungute Gefühl, jede Menge noch nicht erledigt zu haben.

Gemeinsam mit seinen Schützlingen hält Essenburger deshalb immer nur tageweise fest, welche Aufgaben für sie anstehen. „Wir ergänzen das aber auch immer um das Thema Freizeit, betont der Friesenheimer, der bereits seit 1968 in Ludwigshafen lebt und gebürtig aus Norddeutschland stammt.

Berufliche Erfahrungen weitergeben

Ganz konkret erzählt der 76-Jährige von einem jungen Mann, der eine Ausbildung als Elektroniker absolvierte und vor wenigen Monaten seine Meisterprüfung bestanden hat. In dessen täglichem Ablaufplan hatte Essenburger etwa hineingeschrieben, wie die Fahrt zu einem Kundengespräch vorzubereiten ist: Welche Unterlagen werden benötigt, wie weit ist es bis zum Kunden, wie viel Zeit muss dafür eingeplant werden? „Solche Dinge müssen in Fleisch und Blut übergehen“, sagt Essenburger, der als ehemaliger Betriebsingenieur auch viel eigene Berufserfahrung weitergeben kann. Doch auch gepaukt hat er mit seinem Klienten: In Vorbereitung auf dessen Meisterprüfung wurden wöchentlich gemeinsam alte Prüfungsaufgaben durchgerechnet.

Weil junge Menschen mit Aufmerksamkeitsstörungen oft Schwierigkeiten hätten, ihre eigenen Handlungen zu planen, gehe es für einen Jobpaten vielfach darum, seine Schützlinge zu „führen“, damit sie bei der Stange bleiben. Besonders wichtig sei es, mit viel Empathie eine Vertrauensbasis aufzubauen, betont Essenburger. So bedankten sich Klienten nach dem Ende einer Zusammenarbeit bei ihm immer wieder für eines: „Dass ich ihnen Verständnis entgegenbringe. Selbst in jenen Momenten, in denen sie vereinbarte Termine mit mir abgesagt haben.“

„Ich-Botschaften senden“

Dass es nicht helfe, wenn man Druck aufbaue, habe er als ehrenamtlicher Jobpate verinnerlicht, sagt Essenburger. Sätze wie: „Du musst das machen, damit du jenes schaffst“, seien so gut wie nie zielführend. Er selbst entscheidet sich deshalb für das Senden von „Ich-Botschaften“, und fragt seine Klienten, ob ein Weg, den er selbst mal einschlug, auch etwas für sie sein könnte. „Das Ziel heißt: Selbstentscheidung und Verantwortung“, betont Essenburger.

Per täglichem E-Mail Austausch hat er es so auch geschafft mitzuhelfen, einem Klienten den Arbeitsplatz zu sichern. „Der junge Mann arbeitete in Gleitzeit und hatte 50 Minusstunden auf seinem Konto“, erzählt der 76-Jährige. Dass Pünktlichkeit das große Problem war, sei recht schnell zu identifizieren gewesen: „Er hat manchmal einfach am PC gespielt und gedaddelt oder ist zum Kiosk, statt am Arbeitsplatz zu bleiben.“ Am Ende der mehrmonatigen Zusammenarbeit mit seinem Jobpaten formulierte der junge Mann dann aber selbst das Ziel, sein Gleitzeitkonto an Heiligabend vier Stunden im Plus zu haben, um für diesen Tag keinen Urlaub nehmen zu müssen. „Die Bedeutung von Plus-Stunden musste ihm erst mal klar werden“, sagt Essenburger. Umso größer deshalb auch seine eigene Freude, als sein Klient am Ende das selbstgesteckten Ziel tatsächlich erreichte.

Jubiläum: „Zehn Jahre Jobpaten“

„Es ist ein tolles Gefühl, wenn man mit seinen eigenen Erfahrung einem anderen Menschen helfen kann“, sagt der 76-Jährige, der sich für sein Ehrenamt entschied, weil er auch als Rentner noch produktiv sein und etwas erreichen wollte. Schon jetzt freut sich Essenburger auf das Jubiläum, das sein Verein SeHT im Spätsommer 2021 feiert: „Zehn Jahre Jobpaten“. Ganz unabhängig von seinem Ehrenamt hat sich der Friesenheimer aber auch selbst ein neues Ziel gesetzt: Um Ausflüge bis nach Bad Dürkheim und Wachenheim zu schaffen, will er sich ein E-Bike anschaffen und in den kommenden Monaten verstärkt seiner Leidenschaft Fahrradfahren nachgehen.

Strukturiertes Lernen und vorausschauendes berufliches Planen kann Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitä
Strukturiertes Lernen und vorausschauendes berufliches Planen kann Menschen mit einer Aufmerksamkeitsdefizits- und Hyperaktivitätsstörung (ADHS) sehr schwer fallen.
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