Ludwigshafen „Glauben, Denken, Vögeln“
Zum ersten Mal ist der aus dem Fernsehen bekannte Kölner Kabarettist Jürgen Becker in der Mannheimer Klapsmühl’ aufgetreten. Sie war rappelvoll, als der langjährige Moderator der WDR-„Mitternachtsspitzen“ sein Programm „Volksbegehren“ darbot. Der Titel konnte täuschen, denn es ging gar nicht so sehr um Politik, sondern in erster Linie um: Sex.
„Dann wollen wir uns mal einen schönen Abend machen!“ Die Floskel, mit der Jürgen Becker regelmäßig seine TV-Sendung eröffnet, diente auch in Mannheim als Einstieg. Was dann folgte, war eine „Kulturgeschichte der Fortpflanzung“. Dem 59-jährigen Rheinländer Becker ging es also nicht um Unterschriftensammlungen und Petitionen, sondern um den Sexualtrieb – also das Begehren, das alles Volk beherrscht. „Sex bestimmt einfach unsere gesamte Gesellschaft, unsere Kulturgeschichte und auch unsere Psyche“, erläuterte er, was ihn dazu veranlasst hatte, dem Thema ein kabarettistisches Solo zu widmen. In Zeiten erbitterter Me-Too-Debatten, die uns spüren ließen, „wir sind Tiere und wir werden es immer bleiben“, sei es außerdem von unzähligen Fettnäpfchen und „Triebminen“ durchsetzt, an denen vorbei ein Pfad gebahnt werden wolle. Die Menschen wunderten sich über das Animalische ihrer Körper und empfänden es gelegentlich als peinlich, abstoßend oder vulgär. „Wir schämen uns ihrer, es sei denn, wir sind im Internet“, sagte Becker im Hinblick auf den bis ins Pornografische reichenden Exhibitionismus im Netz. Die zahlreichen Bilder, die seinen sehr kurzweiligen und ebenso unterhaltsamen Vortrag illustrierten, hatte er dabei sichtlich nicht den einschlägigen Selbstdarstellungs-Webseiten wie Instagram entnommen, sondern ganz überwiegend der seriösen Kunstgeschichte. Wie schon in seinem vorhergehenden Programm „Der Künstler ist anwesend - Kabarett wie gemalt“ projizierte Becker auf eine Leinwand bestechend klug gewählte Bildbeispiele vor allem aus der Malerei. Von Fresken aus dem antiken Pompeji über Rubens und Rembrandt bis Courbet und Manet reichte das Anschauungsmaterial, das seine Thesen trefflich ergänzte. Was Becker bietet, ist „Volkshochschule und Kabarett“, sagt er selbst. Und er löste diesen Anspruch aufs Beste ein. Die zahlreichen Besucher der Klapsmühl’ konnten lachen und lernen und nach zwei instruktiven Stunden auf jeden Fall bereichert nach Hause gehen, mit neu erworbenem oder wenigstens aufgefrischtem Wissen in Biologie, Philosophie und Theologie. Der enge „Zusammenhang von Glauben, Denken und Vögeln“, wie der katholische Kabarettist selbst formulierte, erschloss sich wohl jedem im Publikum mühelos. Dass dabei die Politik nicht völlig außen vor blieb, versteht sich von selbst. Wiederholt setzte Becker an den geeigneten Stellen spitze Stiche und kurze, aber treffsicher geführte Hiebe etwa gegen AfD, FDP und CSU, der er ein Frauenbild unterstellte, „das der spanischen Inquisition zu konservativ gewesen wäre“. Spontanes, unverstelltes Gelächter brach aus, wenn es um Sex ging. Politische Äußerungen wurden dagegen mit geflissentlichem Applaus bedacht.