Ludwigshafen Gerüttelt und gerührt

Als Stadtkind durfte Werner Schenk (links) früher während der Ferien auf dem Land auch mal am Lenker eines Traktors sitzen, in d
Als Stadtkind durfte Werner Schenk (links) früher während der Ferien auf dem Land auch mal am Lenker eines Traktors sitzen, in diesem Sommer war es Rainer Beckers Hanomag, Baujahr 1951.

«Dannstadt-Schauernheim/ Böhl-Iggelheim.»Schon für halb zehn hat mich Rainer Becker in sein Anwesen in der Kirchenstraße in Dannstadt bestellt. Stolz führt er mich durch den ehemaligen Bauernhof, den er bis vor 15 Jahren bewirtschaftet hat. Herz des Hofs ist die Werkstatt, wo schon früher die Traktoren und Maschinen gewartet und repariert wurden. Hier hat Becker auch seine Traktoren restauriert. Mittlerweile hat er sieben an der Zahl, und zu jedem hat er einen ganz besonderen Bezug. Da steht zum Beispiel der rote Massey-Ferguson, den sein Vater fuhr. Und auf dem blauen Hanomag R22 (Baujahr 1951) hat schon sein Opa gesessen. Ebenfalls ein Hingucker ist die blitzeblanke 350er Horex Regina, eine Motorradrarität aus dem Jahr 1951. „Ab jetzt ist aber Schluss“, sagt Becker und blickt zufrieden auf seinen Fuhrpark. Auf Flohmärkten wird man ihn aber dennoch sehen – schauen kann man ja. Die Sammelleidenschaft teilt er mit seinem Freund Walter Pabst aus Iggelheim. Zu ihm geht auch die Fahrt der Oldtimer Freunde Dannstadt – quasi ein Freundschaftsbesuch. „Heute Mittag wollen wir dann noch Getreide mähen“, verrät Becker. Dabei komme ein Mähbinder, der Vorläufer des Mähdreschers, zum Einsatz. Aber jetzt knattert Becker erst einmal mit seinem blauen Hanomag, geschmückt mit zwei schwarz-rot-goldenen Flaggen, auf den Hof hinaus. Ebenso patriotisch, mit zwei englischen Flaggen – dem roten Sankt-Georgs-Kreuz auf weißem Grund – kommt der Massey Ferguson daher. Während Becker den Hanomag fährt, steigen Sohn Matthias und Enkelin Annika auf den „Engländer“. Als Gast ist für mich der Beifahrersitz auf dem Radkasten reserviert, Becker thront auf einem gefederten und gepolsterten Fahrersitz. Drei Generationen und der Vertreter der schreibenden Zunft – über 60-jährig – tuckern los. Vorbei geht’s an Feldern mit Zucchini, Mais, Kohlrabi, Blumenkohl und Zuckerrüben. Erntehelfer mühen sich in der prallen Sonne, während wir auf den Traktoren den angenehmen, mit ein bisschen Dieselarmoma gewürzten Fahrtwind genießen. Erinnerung an die Kindheit werden wach. In den Ferien bei einem Kriegskameraden des Vater durften wir Stadtkinder mal in den Landwirtschaftsbetrieb hineinschnuppern, fütterten Kühe, sind mit aufs Feld zum Heuwenden gefahren oder haben in aller Herrgottsfrühe Klee für das Vieh geschnitten. Und manchmal durften wir auch am Lenkrad sitzen. Schon biegen wir in die Hauptstraße ein und fahren in flotter Fahrt Richtung Böhl-Iggelheim. Kurz nach der Überquerung des Lachgrabens warten die anderen Oldtimer Freunde mit ihren eindrucksvollen Gefährten. Von da geht’s zurück auf die Straße. Nach und nach zieht sich die Kolonne in die Länge. Autofahrer überholen, tasten sich von Lücke zu Lücke. Sauer scheint keiner zu sein, die meisten schauen interessiert zum Konvoi aus elf Schleppern. Böhl-Iggelheim ist schon zu sehen, dahinter erhebt sich die Haardt. Einmal geht’s noch auf der Umgehungsstraße ums Dorf – was den Fahrspaß noch ein wenig verlängert. Dann biegen wir in Walter Pabsts Anwesen ein. Der hatte seinen luftgekühlten Eicher Diesel schon auf der Wiese geparkt, sodass sich die Gäste aus Dannstadt nur noch einreihen müssen – fertig ist die beeindruckende Traktorparade. „Herein ins Pabst-Museum“, flachst der Ur-Iggelheimer. Vorbei an Mengen von Werkzeugen und einer stattliche Sammlung an Dreschflegeln führt Pabst seine Gäste zum Imbiss in sein Gartenhaus mit ungewöhnlicher Deko: unzählige Bettflaschen. „Viele sind Unikate“, erklärt er. In schlechten Zeiten hätten findige Menschen aus Granathülsen Wärmeflaschen hergestellt. Im nächsten Regal stehen Petroleumlampen, Mausefallen und Haushaltsgeräte aus vergangener Zeit. Vieles habe er auch bei den gemeinsamen Flohmarkt-Besuchen mit Rainer Becker erstanden. Unterdessen ist ein deftiger Fleischkäse, Bier und Wein auf den Tisch gekommen, dazu gibt’s Fachsimpelei. Mit am Tisch sitzt Ewald Keck, der mit seinem Hanomag mitgefahren ist. Der gelernte Landmaschinenmechaniker wird beim Handdreschen am Nachmittag dabei sein und gemeinsam mit Adolf Wörner und Werner Pinno den Dreschflegel schwingen. Nun muss er aber seinen Lanz Bulldog vorglühen. Mit einer Vorglühlampe, die mit Spiritus angezündet und mit Benzin betrieben wird, ist die Zündung des Traktors erst möglich. Dann wird über ein Schwungrad der Motor angeworfen. Ein nostalgischer Vorgang, den die Oldtimer Freunde immer wieder interessiert verfolgen und sachkundig kommentieren. Die ersten Schläge der Maschine sind zu hören, Aufbruchstimmung kommt auf. Auf geht’s zum Mähen wie anno dazumal.

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