Ludwigshafen Fußballgroßer Tumor: Carl kämpft gegen den Krebs

Der fünfjährige Carl hat einen schweren Weg gemeistert.
Der fünfjährige Carl hat einen schweren Weg gemeistert.

Es grenzt an ein Wunder, dass der kleine Carl noch lebt. Der Fünfjährige hatte einen hochaggressiven Tumor von der Größe eines kleinen Fußballs in seinem Brustkorb. Komplizierte Operationen und leidvolle Therapien haben das Leben des Kindes gerettet. Hoffentlich.

„Ich bin schon ganz schön mutig“, findet Carl. Der Fünfjährige, der in einer Stadt am Rhein lebt, hat Krebs. Ein riesiger hochaggressiver Tumor, ein sogenanntes Weichteil-Sarkom, das bei Kindern sehr selten ist, drückte auf Herz und Lunge. Zwei Chemotherapien und vier Operationen hat Carl schon hinter sich. Mut, Motivation, Tatkraft, großes Organisationstalent und vor allem hohe Kompetenz zeigten die Ärzte, die die letzte Operation Ende Januar in Mainz wagten. Bei dem etwa siebenstündigen Eingriff operierten sie klinikübergreifend zusammen – auch die Ludwigshafener BG Klinik war beteiligt. Dieses Vorgehen ist bundesweit und auch international bis jetzt sehr selten, sagen die Spezialisten.

„Das Besondere ist die exzellente interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Expertinnen“, sagt Joerg Faber. Der Leiter der Kinderonkologie der Universitätsmedizin Mainz hat den Tumor entfernt und Carls Brustkorb rekonstruiert – gemeinsam mit Eric Dominic Rössner, Leiter der Mainzer Thorax-Chirurgie, und mit Ulrich Kneser, Direktor der Klinik für Hand-, Plastische- und Rekonstruktive Chirurgie an der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Ludwigshafen. Rund um den schwierigen Eingriff betreute das Team des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin in Mainz den kleinen Jungen. Dazu gehörte auch die Kinderkardiologie unter Leitung von Christoph Kampmann und die Kinder-Intensivmedizin, die Stephan Gehring leitet.

Das Herz konnte nicht mehr richtig arbeiten

Die Situation des Kindes war dramatisch: Carl bekam kaum noch Luft, als er im Sommer 2020 in die Klinik kam. „Die rechte Lunge war vom Tumor verdrängt“, schildert Kinder-Onkologe Arthur Wingerter den Zustand des Jungen. Auch das Herz konnte nicht mehr richtig arbeiten. „So groß wie ein kleiner Fußball war der Tumorblock“, erinnert sich Thorax-Chirurg Rössner. Zusammen mit dem Tumor mussten die Ärzte nach einer Chemotherapie einen Lungenflügel, das Rippenfell, das Zwerchfell und den Herzbeutel entfernen. Also alles, was sich im rechtsseitigen Brustraum befindet.

Doch trotz Chemo und Operation kam der Krebs zurück. Ein Rezidiv im Bereich des Brustbeins wölbte sich vor. Bei einem Eingriff Ende Januar nach der zweiten Chemo mussten die Chirurgen zusammen mit dem Tumor einen großen Teil des Brustbeins mit den anhängenden Rippen entfernen. „Man konnte von außen auf das schlagende Herz und die Lunge schauen“, erzählt der plastische Chirurg Kneser. „Meine Aufgabe war es, das Loch zuzumachen“, erklärt er.

Hautspende eines Verstorbenen

Ein humanes Kollagen-Vlies, eine Hautspende eines Verstorbenen, auf dem man Gewebe züchten kann, verwendeten Rössner und Kneser für die hochkomplizierte Operation. „Fühlt sich an wie Fensterleder“, macht Rössner, der auf diesem Gebiet forscht, für Laien deutlich. Mit dem Vlies kann man die Knochen ersetzen und einen Abschluss zur Lunge bilden.

Eine mikrovaskuläre Lappenplastik hat Kneser durchgeführt. „An der betroffenen Stelle und an einer Stelle am Oberschenkel präpariert man einen Gefäßstiel mit Arterie und Vene“, schildert der plastische Chirurg das Vorgehen. Dann ersetzt man mit dem gesunden Gewebe das vom Krebs befallene. „Bei einem Kind haben die Gefäße einen Durchmesser von 1,5 Millimeter“, erklärt Kneser. Über die Fähigkeiten und die Instrumente, die für einen solchen Eingriff nötig sind, verfügen nicht viele Kliniken.

Hochkomplizierter Eingriff

„Wir hatten den halben Kofferraum voll mit Instrumenten und Materialien“, erinnert sich Kneser an die Fahrt von Ludwigshafen nach Mainz. „Trauen wir uns das zu?“ war die Frage, die sich den Chirurgen stellte. In mehreren Videokonferenzen berieten sie ihr Vorgehen. „Wenn man angefangen hat, gibt es kein Zurück“, stellt Kneser klar. So ein hochkomplizierter Eingriff könne nur gelingen, wenn die Organisation stimmt, erklären die Ärzte: Onkologen, Kardiologen, Thorax- und plastische Chirurgen, Anästhesisten, Intensivmediziner und zahlreiche OP-Fachkräfte arbeiteten bei Carls Operation erfolgreich zusammen.

Carl hat sich inzwischen gut erholt. In die Wohnung seiner Familie im vierten Stock schafft er es schon, ohne dass ihn seine Mutter tragen muss. Mit seinem siebenjährigen Bruder und seiner dreijährigen Schwester spielt er die Tumor-Operationen und seine Erlebnisse auf der Intensivstation nach. „Albträume habe ich manchmal“, klagt er.

Wieder Freude am Essen finden

Den Jungen beschäftigt sehr, dass er sich an seinen zweiten Aufenthalt auf der Intensivstation gar nicht erinnern kann. „Auch dass ein Stück von seinem Bein nun an seiner Brust gelandet ist, muss er erst einmal verarbeiten“, erklärt seine Mutter. „Er wollte keine Narben haben, weil man die ja eincremen muss“, erzählt sie.

Noch bekommt er Chemo, die, so Faber, gut anschlägt. „Carl ist krumm geworden“, schildert seine Mama die Folgen der Entnahme der Organ- und Knochenteile. Physiotherapie soll helfen. Mit Logopädie soll Carl, der noch künstlich ernährt werden muss, wieder Freude am Essen finden. In Bezug auf die Prognose meint Carls Mutter jedoch: „Nach der zweiten Chemo bin ich da etwas verhalten.“

Neue Wege gewagt

Doch nicht nur Carl, sondern auch seine Eltern sind Kämpfernaturen. „Carl ist sehr robust und voller Leben“, beschreibt die Mutter ihr Kind. Dass er in die Zeitung kommt, findet er prima: „Die schreiben, wie mutig ich bin und dass sicher keiner glaubt, ich würde noch leben, wenn sie lesen, was ich schon überstanden habe.“

Den Behandlungs-Teams, die neue Wege für Carls Gesundung gewagt haben, ist die Familie sehr dankbar.

Gute Aussicht: Carl genießt einen Ausflug auf den Spielplatz.
Gute Aussicht: Carl genießt einen Ausflug auf den Spielplatz.
Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x