Ludwigshafen Fernab von Ludwigshafen
Ein „Tatort Ludwigshafen“ ohne Ludwigshafen. Die Stadt, in der Kommissarin Lena Odenthal (Ulrike Folkerts), Kollegin Johanna Stern (Lisa Bitter), Kriminaltechniker Peter Becker (Peter Espeloer) und Sekretärin Keller (Annalena Schmidt) zu Hause sind und normalerweise ermitteln, wurde gestern zwar erwähnt, war aber nicht zu erblicken. Das Pfälzer Kripo-Team war unterwegs im Schwarzwald und verschneiter Landschaft, obwohl es doch seit einem halben Jahr bereits einen, ebenfalls vom SWR produzierten, eigenständigen Schwarzwald-„Tatort“ gibt. Als Erinnerung an Kommissar Mario Kopper, der sich zuletzt nach Sizilien aufgemacht hat, stand nur noch ein leerer Sessel herum, der auch noch umgeworfen wurde. „Ich denke, wir sollten den Weggang von Herrn Kopper als Chance begreifen“, erklärte der Psycho-Coach, dem die verbliebenen Vier in die Waldeinsamkeit gefolgt waren. „Waldlust“ hieß der „Tatort“ nach einem gleichnamigen verlassenen Schlosshotel in Freudenstadt, das für die Inspiration gesorgt hat, jedoch im Krimi nie zu sehen war. „Ein märchenhaft-düsterer Ort, an dem die Zeit stehen geblieben ist“, beschrieb Regisseur Axel Ranisch das ehemalige Grand Hotel. „Kein Wunder, dass unsere Fantasie augenblicklich zu sprudeln begann. Die Handlung lag angesichts der Vorlage direkt vor unserer Nase.“ Weil aber genau dieses Motiv sich dann doch nicht als Kulisse eignete, ging man auf eine „morbide Motivtour durch über 30 leerstehende Hotels in der Region“, so Ranisch. Gedreht hat man schließlich im Weiler Ödenwald bei Loßburg, rund 60 Kilometer von Baden-Baden entfernt. Der abgelegene „Adrionshof“ wurde für den „Tatort“ in „Lorenzhof“ umbenannt. Weshalb „Waldlust“ dann als Titel bestehen blieb, ist unklar. Im Krimi blieb offen, wo genau die Ludwigshafener Mordkommission da war. Irgendwo in der „Pampa“ oder „am Arsch der Welt“ halt, wie Odenthal anmerkte. Die Abgeschiedenheit und, sobald der Schneesturm aufkam, Abgeschnittenheit der Location spielte freilich eine zentrale Rolle. Redakteurin Katharina Dufner ruft zum Vergleich Stanley Kubricks „Shining“ in Erinnerung, aber auch Einflüsse einiger weiterer Filmklassiker von „Boulevard der Dämmerung“ bis „Fargo“ waren zu erkennen. Nicht zuletzt, erinnerte „Waldlust“ auch an den Ludwigshafener „Tatort: Sterben für die Erben“, der 2007 ebenfalls durchweg in einem Hotel spielte. In einen engeren Zusammenhang gehört der gestrige „Tatort“ mit der Folge „Babbeldasch“ vom letzten Jahr. Regisseur Ranisch verantwortete diese wie jene und ließ seine Akteure wieder improvisieren. Schauspieler Peter Trabner, der das Ensemble der Hemshofschachtel für „Babbeldasch“ gecoacht hat, gab diesmal als Simon Fröhlich auch vor der Kamera den Coach. Darüber hinaus brachte Ranisch eine ganze Anzahl seiner vertrauten Schauspieler mit, darunter auch seine Oma Ruth Bickelhaupt, die schon in mehreren seiner Filme spielte. Im Ergebnis war von der Improvisation, dem Drehen ohne Drehbuch, viel weniger zu spüren als noch beim letzten Mal. Umso mehr rückte die bedeutungsschwere sinfonische Musik von Martina Eisenreich in den Vordergrund, die von der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz eingespielt wurde. Also war doch etwas Ludwigshafen in diesem weitgehend stimmigen, unterhaltenden und auch einigermaßen spannenden Mystery-Krimi. Wäre nur schön, wenn auch die Kommissare das nächste Mal wieder hier ermittelten.