Ludwigshafen Ein Platz, drei Namen und viele Pläne

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Der Berliner Platz ist der meist frequentierte Platz in Ludwigshafen. Über 40.000 Menschen sind hier jeden Tag unterwegs. Der Grund: Der Platz ist ein Nahverkehrsknotenpunkt. S-Bahn, Straßenbahnen und Busse treffen hier aufeinander. Der Platz in der südlichen Innenstadt hat schon immer die Fantasie der Stadtplaner beflügelt, wie ein Blick in die Stadtgeschichte zeigt.

Der heutige Berliner Platz entstand auf dem Gelände des früheren Jubiläumsplatzes. Zum 50-jährigen Bestehen von Ludwigshafen wurde 1903 der Platz nebst Jubiläumsbrunnen eingeweiht. „Er war damals deutlich kleiner als heute“, sagt Stadtarchivar Klaus-Jürgen Becker. Das Umfeld war dicht bebaut und durch die Nähe zur damals noch einzigen Rheinbrücke wälzte sich der ganze Verkehr durch die Innenstadt: Fußgänger, Radler, Pferdefuhrwerke, Straßenbahnen und immer mehr Automobile. Die Folge waren massive Verkehrsprobleme. In der Weimarer Zeit wurde deshalb eine sogenannte Durchbruchstraße geplant, die Abhilfe schaffen und den Verkehr durch die Innenstadt auf die Brücke leiten sollte. Gleichzeitig entstand die Idee, dass Ludwigshafen ein Kino nebst Theater bekommen sollte: den Pfalzbau. Außerdem wollte die Kaufhauskette Tietz ein großes, modernes Warenhaus in dem Bereich bauen. Für das Projekt des damaligen Oberbürgermeisters Christian Weiß mussten die Anlagen des Jubiläumsplatzes weichen. Am Rande wurden auch über ein Dutzend Häuser abgerissen. Das Projekt wurde gegen den Widerstand der Freunde des Jubiläumsplatzes Ende der 1920er-Jahre durchgesetzt. Der Pfalzbau wurde im September 1928 eingeweiht, im April 1930 waren das Warenhaus Tietz und die Durchbruchstraße fertig, die den Namen Jubiläumsstraße erhielt. Doch der Platz blieb unvollendet. Die Baulücken waren der Weltwirtschaftskrise geschuldet. Es fehlte an finanzkräftigen Investoren. Damals wie heute behalf man sich mit einem Bauzaun, der den Blick auf die Lücken versperren sollte. Die Ludwigshafener hatten angesichts des drei Meter hohen Holzzauns auch gleich einen Spitznamen für die Jubiläumsstraße: „Lattegass“. 1933 kamen die Nazis an die Macht, und auch sie hatten große Pläne für den Platz im Herzen der Stadt. „Die Nazis wollten einen großen Aufmarschplatz in runder Form“, berichtet Archivar Becker. Der alte Jubiläumsbrunnen mit seinen bayerischen Löwen und anderen verspielten Details passte nicht mehr zum Zeitgeist und wurde abgerissen. Außerdem ließen die neuen Machthaber am Rande ein Gebäude für die NSDAP-Kreisleitung errichten, das auch heute noch steht. Das Ordnungs- und Sportamt der Stadtverwaltung hat dort seinen Sitz und das Bistro „Alex“. Der NS-Oberbürgermeister Erich Stolleis sah als eine seiner Hauptaufgaben die Neugestaltung „des verbauten und unansehnlichen Stadtbildes“. Die ganze Innenstadt sollte umgekrempelt werden, der Hauptbahnhof sollte raus aus der City, das Viadukt über die Bahngleise verschwinden, eine zweite Rheinbrücke gebaut und natürlich sollte der Jubiläumsplatz die Kulisse für Aufmärsche der Partei vor dem Pfalzbau werden. Weitere Häuser wurden abgerissen, um Platz zu schaffen. Die NSDAP benannte das Areal 1939 in Hermann-Göring-Platz um – der Namensgeber war eine der führenden Figuren des NS-Regimes. Dann kam der von Diktator Adolf Hitler angezettelte Zweite Weltkrieg. Und deshalb entstand unter dem Platz ein großer Tiefbunker. Die Ludwigshafener Innenstadt lag bei Kriegsende weitgehend in Trümmern. Rund 125 Mal war die Industriestadt bombardiert worden. Die neue Stadtregierung plante in den 1950er-Jahren den Wiederaufbau. Das Projekt nannte sich „Visitenkarte“ und sah eine neugestaltete, autogerechte City vor. „Es gab eine überraschende Übereinstimmung mit den Bauplänen der Nazis“, sagt Archivar Becker. Auch der Jubiläumsplatz – der wieder seinen alten Namen bekam – spielte erneut ein tragende Rolle. Für die wiederaufgebaute Rheinbrücke gab’s eine neue Auffahrt. Das Warenhaus verschwand, um Platz für den neuen Kaufhof in der „Tortenschachtel“ zu schaffen, die 1960 eröffnet wurde. Der alte Pfalzbau wurde 1970 abgerissen, ein neuer am Theaterplatz eröffnet. Ursprünglich sollte auch ein neues Rathaus am Platzrand gebaut werden, doch dann fehlte das Geld, und ein Privatinvestor baute das Mosch-Hochhaus. Bereits 1959 wurde das erste Teilstück der Hochstraße Süd eröffnet, für die weitere Häuser weichen mussten. Im Mai 1960 bekam der Platz seinen heutigen Namen: Berliner Platz. Ein politisches Bekenntnis zur geteilten Stadt. Die südliche Seite des Platzes blieb vorerst eine Baulücke. Die Stadtplaner legten schließlich neue Entwürfe vor: das Projekt lautete diesmal „Anschluss 2000“. Die Walzmühle wurde zum Einkaufszentrum und Bürohaus umgebaut und 1999 eröffnet. Der S-Bahnhof Mitte mit der Passage zum Berliner Platz entstand und wurde Ende 2003 zum 150-jährigen Bestehen der Stadt eingeweiht. Die BASF spendierte den Brunnen mit der L-Skulptur des US-Künstlers Rickey. Mit dem privaten Büro- und Geschäftshaus des Frankfurter Investors Henry Faktor fand die Platzbebauung nach vielen Jahrzehnten endlich ihren Abschluss. Ins Faktor-Haus durfte auch eine Riesendisco einziehen, was seitdem immer wieder für Ärger wegen der nächtlichen Ruhestörungen und alkoholbedingten Schlägereien sorgt. Darunter leidet das Image des Platzes bis heute. 2014 wurde die Idee für eine weitere Neugestaltung des Berliner Platzes geboren. Der schon an der Walzmühle beteiligte Investor Günther Tetzner kaufte die verwaiste „Tortenschachtel“. Ursprünglich sollte der Rundbau saniert und aufgestockt werden. Wegen der Bausubstanz und der Kosten entschied sich der Investor schließlich für den Neubau eines „Metropol“ genannten zweiteiligen Hochhauses. Die „Torte“ wurde 2015 zum Bedauern vieler Bürger abgerissen, um Platz für den bis zu 67 Meter hohen Neubau zu machen. Doch Ende 2016 geriet das Projekt ins Stocken, Tetzner verkaufte an Investoren aus dem Finanzsektor. Es kam zu Unstimmigkeiten zwischen Verkäufer und Käufer. Angeblich soll der Kaufpreis noch nicht geflossen sein. Die Beteiligten schweigen, die Baustelle ruht. Und ein bunter Bauzaun soll die Blicke der Ludwigshafener von der Baulücke abwenden. Wie und wann es weitergeht, ist derzeit völlig offen. „Es wird nicht so bleiben, wie es jetzt ist“, sagt Ortsvorsteher Christoph Heller (CDU). Er ist überzeugt, dass der Berliner Platz der wichtigste Platz der Stadt ist – wegen seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt und Veranstaltungsort für Konzerte, Messen oder den Weihnachtsmarkt. Über die aktuelle Debatte – ob das Baugelände nicht zugeschüttet und für eine Grünfläche nebst Café genutzt werden sollte – kann Heller nur den Kopf schütteln. „Der Standort ist viel zu interessant für Investoren. Hier wird etwas gebaut.“

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