Ludwigshafen Ein Markt für die Melm
Vor knapp 20 Jahren sind die ersten Häuser des Oggersheimer Neubaugebiets Melm entstanden. Nicht ganz so lange, aber doch schon seit etlichen Jahren ist über einen Supermarkt für das Viertel diskutiert worden, in dem mittlerweile rund 4000 Menschen leben. Seit gestern haben sie ihren langersehnten Lebensmittelmarkt: Der Discounter Netto eröffnete an der Ecke von Sudetenstraße und Rosenwörthstraße eine Filiale samt Café der Bäckerei Görtz.
Die Kuchenteller sind schon leer, in den Kaffeetassen befindet sich nur noch ein kleiner Milchschaumrest. Aber trotzdem ist die Frauengruppe noch nicht lange genug da, um sich eine endgültige Meinung über den Supermarkt gebildet zu haben. Steffi Mühlhölzer will der Netto-Filiale vier Wochen Zeit geben, sie zu überzeugen: „Wenn Obst und Gemüse frisch sind, werde ich hier einkaufen.“ Und dann wird sie auch wissen, ob sich ihre Befürchtung bestätigt: dass Kunden die eigentlich für Anlieger gedachten Straßen des Neubaugebiets Melm im Zickzack-Kurs befahren werden, um nach Hause zu kommen, in die Hochhäuser am Weidenschlag zum Beispiel. Mühlhölzer und neun weitere Damen haben Tische zusammengeschoben, an denen sie sitzen und rege diskutieren. Die Gruppe trifft sich etwa alle drei Monate an wechselnden Orten – gestern war es das neue Brotzeit-Café der Bäckereikette Görtz. Praktisch ist das, weil alle mehr oder weniger um die Ecke wohnen, die meisten schon seit den ersten Tagen des Baugebiets 1997. Sie alle haben das zähe Ringen um den Supermarkt verfolgt. Lidl und Aldi hätten schon früh abgewunken mit dem Hinweis, in einem Wohngebiet mit weniger als 10.000 Einwohnern keine Filiale anzusiedeln, erzählt der frühere Ortsvorsteher Dieter Heintz (CDU). Wenn in der rund 65 Hektar großen Melm alle Grundstücke bebaut sein werden, wird die Einwohnerzahl etwa bei der Hälfte liegen. Mit der Ratisbona Projektentwicklung KG, die das Gelände der Firma Willersinn abkaufte und im Auftrag von Netto bebaute, fand sich schließlich 2008 ein Investor. Ein Investor, der trotz aller Widrigkeiten am Ball blieb: Der Markt steht auf einem ehemaligen Weiher, der nach dem Krieg verfüllt worden und zu einem Biotop geworden war. Sind darin noch Kampfmittel? Giftmüll? Fragen, mit denen sich Sachverständige beschäftigen mussten. Zur Sicherheit wurde das Gelände stark verdichtet und damit auf einen Keller für den 1000 Quadratmeter Verkaufsfläche großen Markt verzichtet. Wegen befürchteter Verkehrsprobleme hatten schon im Jahr 2013 Bürger mit 86 Unterschriften gegen den Standort protestiert. „Das war eine lange Geschichte“, resümiert Ortsvorsteherin Barbara Baur (SPD). „Natürlich war es für die Anwohner irgendwann ärgerlich, keine Einkaufsmöglichkeiten zu haben.“ Anwohner wie Sascha Koch. Der frühere Trainer des FSV Oggersheim, von Wormatia Worms und der Trainingsgruppe 2 der TSG Hoffenheim, der nach eigenem Bekunden zurzeit als Scout arbeitet, lebt ganz in der Nähe. Gestern Nachmittag nahm er mit seiner Frau und seiner knapp zweijährigen Tochter den neuen Supermarkt gleich mal in Augenschein. „Natürlich ist es bequemer und angenehmer, als wenn man immer woanders einkaufen muss“, sagte er. „Hier leben viele Familien, für die das schon ein Problem war.“ Grundsätzlich ist er aber vom Leben in der Melm begeistert: Die Natur, die vielen Spiel- und Bolzplätze – das sei toll. Was die zehnköpfige Damengruppe im Café bestätigt. „Hier geht man im Bademantel mit dem Handtuch unter dem Arm zum See“, sagt Petra Eitelmann und lässt einen bemerkenswerten Satz folgen: „Das findest du in der Stadt nicht.“ Dafür wünscht sie sich Laternen in der Sudetenstraße, damit sie nicht mehr in kompletter Dunkelheit zur Arbeit radeln muss. „Und eine Anbindung nach Oppau“, ruft eine Frau. „Bloß nicht“, kommt sofort der Widerspruch. „Wer ist dagegen?“ Fünf Finger gehen hoch. Mit dem neuen Supermarkt mag jetzt zwar ein Dauerthema erledigt sein. Diskussionsstoff wird es aber auch in Zukunft noch genug geben.