Ludwigshafen Ein kleiner Junge mit einem großen Namen

Vor nicht ganz drei Monaten gewann „Deine Schönheit ist nichts wert“ gleich vier österreichische Filmpreise. Das herbe Sozialdrama wurde als bester Spielfilm mit der besten Regie, dem besten Drehbuch und der besten Musik ausgezeichnet. Der Autor und Regisseur Hüseyin Tabak und seine Schauspieler Abdulkadir Tuncer und Yüsa Durak waren jetzt im Mannheimer Cineplex zu Gast.

Hüseyin Tabak stammt aus dem nordrhein-westfälischen Lemgo, lebt heute in Hamburg und studierte an der Wiener Filmakademie. In Wien, wo er den Film noch während des Studiums drehte, fand er auch seinen Hauptdarsteller, den heute 15-jährigen Abdulkadir Tuncer, und Yüsa Durak, der dessen großen Bruder spielt. Beide sind Laiendarsteller, die in „Deine Schönheit ist nichts wert“ zum ersten Mal vor der Kamera agieren. „Yüsa Durak hat uns von Anfang an überzeugt, weil er so viel Herzblut und Leidenschaft in diese Rolle hineingelegt hat“, berichtet sein Entdecker Tabak. Durak beeindruckt als nationalistischer Türke Mazlum mit aggressiver Skinhead-Attitüde und trat seitdem auch in zwei weiteren Filmen auf. Er zeigt sich aber skeptisch, was eine Karriere als Schauspieler angeht. „Ich habe jetzt auch keine Lust, immer den Quoten-Kanaken zu geben oder in diesen Kommerzsachen mitzuspielen“, konstatiert er in Mannheim und verweist ganz bodenständig darauf, dass er mit einer Textildruckerei, die er in Wien betreibt, auch ein zweites berufliches Standbein hat. Die absolute Hauptrolle hat aber Abdulkadir Tuncer. In Tabaks polyglottem Hinterhofdrama spielt er den zwölfjährigen Veysel und ist in fast jeder Einstellung zu sehen. „Deine Schönheit ist nichts wert“ erzählt die Geschichte Veysels, den sein Vater nach dem anatolischen Poeten und Sänger Âsik Veysel benannte. „Âsik Veysel ist in der Türkei bekannt, wie Goethe in der deutschen Literatur“, meint Hüseyin Tabak. Der Junge, der den großen Namen trägt, ist klein, schmächtig und wirkt jünger als seine Klassenkameraden in der Schule, die er in Wien besucht. Verträumt himmelt er seine Mitschülerin Ana, eine Migrantin aus dem ehemaligen Jugoslawien, an, verharrt aber in sich gekehrt, bleibt zurückgezogen und äußerst still. Er spricht und versteht auch kaum Deutsch, denn seine Familie ist erst vor wenigen Monaten aus der Türkei nach Österreich geflohen. Sein Vater saß als kurdischer Freiheitskämpfer im Gefängnis. Mit ihm will der ältere Bruder nichts mehr zu tun haben. „Ich habe keinen Vater! Er ist ein Terrorist!“ sagt Mazlum, der sich die Haare geschoren hat, den türkischen Halbmond auf der Brust trägt und von zu Hause abgehauen ist. Der kleine Veysel versucht zwischen ihm und den Eltern zu vermitteln, hat aber mit eigenen Problemen zu kämpfen. Dass er die Sprache nicht beherrscht, verhindert nicht nur die Kontaktaufnahme mit Ana, sondern könnte auch dazu führen, dass er die Schule verlassen muss. Seit langem soll er in der Klasse ein Gedicht vortragen, doch er findet erst spät in einem Nachbarn jemanden, der ihm hilft. Der junge und der ältere Wiener Türke entschließen sich, Âsik Veysels Gedicht „Güzelligin on para etmez“ ins Deutsche zu übertragen: „Deine Schönheit ist nichts wert ...“ Es sei ihm ein großes Anliegen gewesen, erklärt Hüseyin Tabak, dass Veysels Liebeslied nach und nach alle Figuren des Milieudramas miteinander verbinde. „Irgendwann im Laufe des Films schließt sich der Kreis durch die Musik“, sagt der 32-Jährige. „Ich bin mit diesen Liedern aufgewachsen, weil besonders mein Vater sie sehr mochte. Sie gehören zu mir.“ Menschen, die ihre Heimat verlassen, bringen ihre eigene Kultur mit, aber auch ihre Probleme und Konflikte, erläutert er weiter. „Für mich war es reizvoll, dass ein kleiner Junge die alte Kultur, die heute viele junge Türken gar nicht mehr kennen, aus seiner Heimat mitbringt.“ „Deine Schönheit ist nichts wert“ entstand bereits 2012, kommt aber erst jetzt in die Kinos. Hüseyin Tabak drehte anschließend den Kinderfilm „Das Pferd auf dem Balkon“, der schon im vergangenen Herbst zu sehen war. Auch Abdulkadir Tuncer konnte seine Karriere mittlerweile fortsetzen. So spielte er eine kleinere Rolle in „Kuma“ von Umut Dag und war als kindlicher Mörder im österreichischen „Tatort: Angezählt“ zu sehen, der vor wenigen Tagen mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde.

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