Ludwigshafen Die Weltenwandlerin
. Eigentlich war es eine Zufalls-Silbermedaille. Eine Medaille, die Anna Schloß nie gewonnen hätte, wenn die deutschen Meisterschaften über die Sprintdistanz, sagen wir, in Aachen stattgefunden hätten. Oder in Berlin. Oder im Allgäu. Schloß reist nämlich nicht gerne weit für Wettkämpfe. Außer, sie lassen sich mit etwas verbinden. Wie zum Beispiel vor Kurzem die deutschen Hochschulmeisterschaften in Braunschweig. Da machte sie um den Wettkampf herum, bei dem sie Rang zehn belegte, ein paar Tage Urlaub in Niedersachsen. Da die Sprint-DM aber in Darmstadt stattfand, also nicht allzu weit weg, sagte sie zwei Monate vorher zu ihrem Freund, dem Triathleten Leander Lebeau. „Das ist doch ein Ziel.“ Also trainierten sie beide darauf hin, fuhren hin und gewannen Gold (Lebeau) und Silber. Diese bedingte Reiselust, sie sagt viel über das Verhältnis von Anna Schloß zum Triathlon aus. Der Sport hat einen hohen Stellenwert in ihrem Leben, aber sie weiß auch, dass es Wichtigeres gibt, beispielsweise ihr Sportstudium an der Universität Mainz. Sie weiß, dass sie irgendetwas zwischen einer sehr ambitionierten Hobbysportlerin, die größtenteils ohne Trainingsplan auskommt, und einer Fast-Leistungssportlerin ist, die irgendwann gerne mal einen Ironman unter elf Stunden beenden würde. Und sie weiß, dass vor allem der Spaß im Vordergrund stehen soll, weil sie ja irgendwo zwischen den Welten des Hobby- und des Leistungssports wandelt. Im Grunde genommen ist sie für die eine Welt zu gut und um in die andere Welt vollends einzudringen, schon zu alt. Siege und Erfolge, so sagt sie, bedeuten ihr nicht so viel. „Ich kann mich meistens am Saisonende nicht mal mehr erinnern, ob ich bei den Landesmeisterschaften gewonnen habe oder nicht“, erzählt Schloß, die aus Neupotz bei Rheinzabern stammt. Was ihr etwas bedeutet, sind ihre Leistungen: „Ich freue mich vor allem, wenn es gut läuft.“ Zum Beispiel, wenn es ihr mal gelingt, eine Profiathletin in einem Rennen über die Sprintdistanz abzuhängen. Es sind die Tage, für die sie als Triathletin lebt.Vielleicht fehlt ihr dieser Erfolgshunger – was ja nicht schlimm ist –, weil sie als Kind und Jugendliche nie leistungsorientiert Sport getrieben hat. „Ich bin da irgendwie reingerutscht“, sagt Schloß über ihre Triathlonanfänge. In ihrer Jugend ging sie ein bisschen joggen, ein bisschen schwimmen, ein bisschen Tennisspielen – alles hobbymäßig. „Im Tennis habe ich an Position sechs gespielt“, erinnert sie sich. „Ich weiß nicht, ob es unter uns noch eine Liga gab.“ Auf jeden Fall gab es da eine Triathlongruppe, die oftmals ins Schwimmbecken stieg, wenn Schloß gerade hinauskrabbelte. Und es gab da Karl-Heinz Schwein, den Trainer, der sie und Rebecca Büchler, eine Freundin, überredete, es doch mal mit dem Triathlon zu probieren. Also starteten sie 2006 bei einem „richtigen Jedermanntriathlon“ in Otterstadt, am Tag zuvor hatten sie erstmals auf richtigen Rennrädern gesessen. Und da sich Büchler und Schloß zuvor versprochen hatten, den Triathlon gemeinsam zu absolvieren, wartete Schloß nach dem Schwimmen in der Wechselzone auf die langsamere Büchler. Das Ziel erreichten sie als Zweite und Dritte – von vier Starterinnen. Es sollte der bislang einzige Spaßwettkampf in der Triathlonkarriere von Anna Schloß sein. Ein knappes halbes Jahr später startete sie erstmals über die Mitteldistanz in Maxdorf – und schwamm, radelte und lief auf Anhieb zum Rheinland-Pfalz-Meistertitel. Und das, obwohl sie sich ein Jahr zuvor noch nicht vorstellen konnte, 20 Kilometer am Stück zu laufen. Doch dazwischen lag unter anderem ein Trainingslager mit der Pfälzer Radsportlegende Udo Bölts aus Heltersberg. Sie lernte sich zu quälen, was sie am Anfang nicht besonders gerne gemacht hatte. 2008 und 2009 erreichte Schloß dann ihre ersten Podestplatzierungen auf nationaler Ebene, belegte bei den deutschen Duathlon-Meisterschaften die Ränge zwei und drei. Mittlerweile versucht sie, auch des Studiums wegen, mit minimalem Aufwand den maximalen Erfolg zu erreichen. Das ist auch einer der Gründe, warum sie heute vor allem über die weniger trainingsintensive Sprintdistanz startet. Dass dieses Modell durchaus von Erfolg gekrönt sein kann, hat sie in dieser Saison ja gezeigt.