Über den Kirchturm hinaus Die Kirchenkolumne: Susanne Schramm über einen ganz besonderen Blickwinkel

Pfarrerin Susanne Schramm
Pfarrerin Susanne Schramm

In unserem Badezimmer hängt ein Abreißkalender. Vergangenen Freitag stand dort ein Satz des Physikers Stephen Hawking. Der geht mir seitdem nicht aus dem Sinn. Wenn ich daran denke, ob wir es schaffen werden, durch die Erfahrungen in der Corona-Krise zu lernen, zum Beispiel nachhaltiger zu wirtschaften? Wenn ich daran denke, ob wir Menschen den Rassismus aus unseren Köpfen bekommen? Stephen Hawking schreibt: „Betrachten wir die Erde vom All aus, sehen wir uns selbst als Ganzes. Wir nehmen die Einheit wahr und nicht das Trennende. Ein einfaches Bild mit einer unwiderlegbaren Botschaft: ein Planet, eine Menschheit.“ Brüder und Schwestern, wir alle.

Die Ressourcen sind endlich

Gerade sind wieder Astronauten aus den USA zur Internationalen Raumstation ISS gestartet. Der Astronaut Alexander Gerst war selbst schon zwei Mal auf der ISS. Sein Blick auf die Erde ist heute ein anderer, sagt er: „Mir ist bewusst geworden, dass wir Menschen lediglich einen kleinen blauen Steinklumpen bevölkern. Nach einer Weile wusste ich bereits nach einem kurzen Blick aus dem Fenster, wo wir uns gerade befinden. Da wird einem noch mal bewusst: Wir haben nicht unendlich viele Flüsse, unendlich viele Seen und unendlich viele Ressourcen zur Verfügung. Wir haben von jedem Ort nur einen. Und unsere Erde ist in Wahrheit nicht so groß, wie sie uns von hier unten vorkommt.“

Auf die Frage, welches Bild für ihn das Eindrücklichste war, antwortete er, es sei der Blick aus dem All auf die Kriege auf unserer Erde. Grotesk von oben zu sehen, wie sich unten auf der kleinen Erde die Menschen gegenseitig bekämpfen. Aber es gab auch Bilder, die unglaublich schön waren. Ein Sonnenaufgang oder ein Sonnenuntergang zum Beispiel. So ein Perspektivwechsel ist eindrücklich und verändert die Sicht auf das Leben und unsere Erde nachhaltig.

Blick über den Tellerrand

Aber nicht nur so ein großer Perspektivwechsel verändert, auch ein kleiner kann unsere Sichtweise verändern. Der Blick über den Tellerrand, der Wechsel zwischen Frosch- und Adlerperspektive oder das Platznehmen auf dem Stuhl des anderen. Wir entdecken, was wir vorher nicht gesehen oder gefühlt haben. Wir sehen vielleicht aus einer anderen Perspektive auch besser, wo unsere Grenzen sind. Oder wir werden fähiger, Mitgefühl für andere Menschen zu empfinden. Wir haben diese eine Erde und leben auf ihr, verbunden miteinander.

Die Autorin

Susanne Schramm (53) ist Pfarrerin in der Citykirche am Lutherplatz.

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