Kolumne: Über den Kirchturm hinaus Die Kirchenkolumne: Über Corona und seine möglichen Auswirkungen

Manfred Ferdinand
Manfred Ferdinand

Geschäfte haben wieder geöffnet, Reiseplanungen laufen an. Die Konsumlust kann wieder befriedigt werden. Daneben liegen das öffentliche und soziale Leben noch vergleichsweise brach. Ein Spagat zwischen Vernunft und Lebenslust, ein Spiel mit Zahlen: Wie viele Opfer verträgt das Gesundheitssystem, wie viele die Wirtschaft, wie viel vertragen die einzelnen Menschen?

Die Corona-Krise offenbart, in welcher Breite auch ganz verschiedene Elemente unseres Lebens miteinander verbunden sind. Ist das Gesundheitssystem schlecht aufgestellt, sind Kapazitäten schnell ausgeschöpft. Standards können nicht mehr umgesetzt werden, Mitarbeitende im Gesundheits- und Pflegewesen können sich nicht mehr schützen. Ein einziger Infektionsfall kann ein ganzes Pflegeheim oder Unternehmen zur Quarantäne zwingen. Die Schließung einer Klinik oder eines Unternehmens durchbricht die Grundversorgung oder die globalen Just-in-time-Produktionen. Abhängige Unternehmen müssen die Produktion herunterfahren oder schließen. Existiert kein tragfähiges System der sozialen Sicherung, sind Arbeitsplätze gefährdet oder verschwinden. Haben Staat und seine Bürger keine Reserven, bricht schnell alles zusammen. Menschen mutieren zu Hamstern und Weltuntergangsüberlebenskonkurrenten. Wer hätte sich das vor Corona vorstellen können? Und wer möchte in Verhältnisse zurück, die genau das möglich gemacht haben?

In der Bibel werden solche Zusammenhänge im Bild vom Leib des auferstandenen Christus dargestellt, dessen Glieder die mit ihm verbundenen Menschen sind. Von diesen vielen Gliedern hat jedes da seinen Ort, seine Gaben, seine Aufgaben. Alle zusammen nur können bewirken, dass es dem ganzen Organismus gut geht. Wenn eines leidet, leiden alle mit.

Corona könnte uns lehren, die Zusammenhänge zu achten – und die Bedeutung von scheinbar Unbedeutendem zu fürchten. Kein Mensch ist überflüssig, nur weil er vielleicht morgen stirbt. Er ist Teil des Ganzen, und wir werden merken, wenn er fehlt.

Der Autor

Manfred Ferdinand (57), Protestantische Kirchengemeinde Ludwigshafen-Edigheim

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