Ludwigshafen „Die Katze im Sack“

Nenad Jukic blickt unter die eine oder andere Motorhaube, macht Fotos mit dem Mobiltelefon und wartet die letzten Minuten bis zum Abschluss der Auktion ab. „Hoffentlich bekomme ich nicht alle drei“, sagt der Ludwigshafener, der für einen Volvo, einen Nissan und ein Motorrad Gebote abgegeben hat, und lacht. Schon vor fünf Jahren konnte Jukic bei einer Versteigerung ein Schnäppchen machen: eine Mercedes-A-Klasse, bei der er Glück hatte. „Man kauft die Katze im Sack“ sagt er. Die Katze ist in dem Fall ein Auto oder Motorrad, das unberechtigt im öffentlichen Verkehr stand, abgeschleppt, aber nie vom Halter abgeholt wurde. Werden solche Autos von den Straßen gesammelt, müsse zunächst der Halter ermittelt werden, sagt Peter Gottfried, der mit seinem Team die Auktion organisiert. Meist gelinge das über die Seriennummer des Fahrzeugs oder das Nummernschild, wenn es eines gibt. Meldet sich der Halter nicht bis zum Morgen des Auktionstages, wechselt das Fahrzeug den Besitzer. Der muss sich dann beim Autohändler um einen Schlüssel bemühen, das Fahrzeug durch den Tüv schicken und neue Papiere anfordern. Ob es ein Auto zur Versteigerung schafft oder im Voraus verschrottet wird, entscheidet ein Gutachter. Der kann nur äußerliche Mängel feststellen und die letztendliche Qualität der Autos nicht garantieren. Aber auch ein Auto mit Überraschungspotenzial verkauft sich aufgeräumt besser. Auch dafür sind Gottfried und seine Kollegen zuständig. Der 60-Jährige, der schon seine elfte Auktion organisiert, erinnert sich an so einige Gerüche, die ihm aus den Kofferräumen und von den Rückbänken entgegenkamen. Private Post oder beinahe einen ganzen Hausstand habe er schon gefunden. Stehen die Autos zur Versteigerung, können die Besucher sie von 10 bis 16 Uhr bei offener Motorhaube begutachten. Gottfried und seine Kollegin Birgit Riemenschneider-Rau nehmen in dieser Zeit schriftliche Gebote entgegen, die sie am Ende auswerten. Am provisorischen Campingtisch unterm Sonnenschirm schließen die beiden mit den anderen Kollegen private Wetten ab. „Bisher wurden immer alle Autos versteigert“, sagt Gottfried, der heute darauf setzt, dass fünf Autos stehen bleiben. Manche seien einfach zu heruntergekommen. Gegen Ende der Auktion kommt ein Paar, untersucht interessiert einen gelben Fiat und setzt sich zur Probe hinein. „Die waren heute Morgen schon mal da“, sagt Gottfried, der findet, dass die beiden die Angelegenheit unnötig verkomplizieren. „Einfach das Doppelte des Mindestgebots aufschlagen“, empfiehlt er als Taktik. Als Auktionserfahrener hat er leicht reden. Keine Papiere zu bekommen und den tatsächlichen Zustand des Autos nicht zu kennen, bereitet dem Paar sichtlich Unbehagen. Nach einigem Zögern werfen aber auch sie ein Angebot in die verschlossene Kiste. Zwischen 150 und 2000 Euro liegen heute die Mindestgebote für die 14 angebotenen Fahrzeuge. Als Favorit zeichnet sich gegen Ende eindeutig der Volvo ab, für den auch Jukic geboten hat. Ein Hochschaukeln der Angebote wie bei einer Auktion mit Hammer und Heben der Bieternummer gibt es bei der Auktion mit geheimen Angeboten nicht. Vorrangig sei sowieso, die entstandenen Kosten für Standgeld, Abschleppen und Gutachter zu decken, sagt Gottfried. Um 16 Uhr ist klar: Für alle Fahrzeuge wurde ein Angebot abgegeben. Nenad Jukic kann sich freuen. Den Volvo hat ihm zwar jemand weggeschnappt, aber Motorrad und Nissan gehören ihm. Bezahlt wird bar. Der Nissan, bei dem Jukic die krumme Summe 3333,30 Euro Glück gebracht hat, lässt er heute noch stehen. Das Motorrad möchte er aber direkt am nächsten Tag mit in den Kroatien-Urlaub nehmen – auf dem Lieferwagen. Das Ehepaar dagegen ist enttäuscht. Es fährt ohne gelben Fiat nach Hause. Zu gerne wüssten die beiden Auktionsneulinge, was ihr Konkurrent geboten hat. Verraten wird es aber nicht. Heute verlassen viele Gewinner das Gelände in der Achtmorgenstraße, ein paar Verlierer bleiben aber zurück: Keiner von Gottfrieds Kollegen hatte darauf getippt, dass alle Fahrzeuge einen neuen Besitzer finden. Die Frage „Wer zahlt denn jetzt den Kasten Bier?“ bleibt unbeantwortet. Auf dem Schotterplatz warten indes schon wieder viele alte Autos darauf, dass jemand über ihr Schicksal entscheidet: Schrottplatz oder neuer Besitzer?

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