Ludwigshafen „Der Ton ist hart, aber herzlich“
Für die jungen Sportler, die sich immer mittwochnachmittags an der Realschule plus am Ebertpark, der ehemaligen Pestalozzi-Hauptschule also, zum Laufen treffen, ist Wolfgang Koberstein „der alte Mann“. Damit kann der gelassene 53-Jährige mit dem breiten Lachen ganz gut leben. „Fünf Kilometer kann ich recht locker laufen“, erzählt der Schulsozialarbeiter. Aber bei sieben werde es dann schon schmerzhaft. Und damit hat er immer noch eine deutlich bessere Kondition als etliche seiner Schützlinge im Alter zwischen zwölf und 24 Jahren, die er zusammen mit der Straßensozialarbeiterin Nicole Kempf (32) trainiert. Hobbyläufer ist Koberstein schon seit 20 Jahren. Für die Arbeit mit den Jugendlichen hat er extra den Breitensporttrainerschein gemacht. „Wir sind nicht die schnellsten, aber wir laufen“, sagt er, und nur darauf komme es an. Bei dem Projekt, das bei schlechtem Wetter in der Schulturnhalle stattfindet, geht es vor allem um die Motivation der jungen Leute, um Seitengespräche über das, was vielleicht gerade nicht gut läuft in der Schule oder zu Hause oder mit falschen Freunden. Und auch um Rücksichtnahme und gegenseitigen Respekt. „Wir haben eine tolle Gruppendynamik zwischen den Jungen und Mädchen. Hier werden keine Abkürzungen genommen, sondern jeder steht dazu, wenn er nicht mehr kann“, beschreibt Koberstein die Philosophie. Dass die Laufgruppe „Free Run“ in diesem Jahr schon zum dritten Mal beim Ludwigshafener Stadtlauf anlässlich des Stadtfests „Spektakulums“ angetreten ist und einige Schützlinge es wiederholt aufs Siegertreppchen geschafft haben, macht Koberstein sehr stolz. Auch viele Eltern hätten am Straßenrand gestanden und die Jugendlichen angefeuert. „Das war wieder der Höhepunkt des Jahres.“ Wenn das Wetter nicht mitspielt und die Sportgruppe in die Schulturnhalle ausweichen muss, stehen zum Beispiel auch Gymnastik, Ballspiele, Judo oder Fallübungen auf dem Programm. Außerdem gehen Koberstein und Kempf dann auch auf die Wünsche ihrer Schützlinge ein. „Wir probieren alles aus, nur Fußball ist tabu“, erklärt Koberstein. Denn das könnten die Jugendlichen an jeder Ecke spielen. Der Ton sei hart, aber herzlich. „Wir fordern die Jugendlichen, und trotzdem kommen sie immer wieder mit großer Freude zu uns zurück.“ Sogar in den Ferien: Da wollen der Schulsozialarbeiter und seine Kollegin mit der Truppe wieder mal einen Ausflug in die Ludwigshafener Kletterhalle unternehmen. Beim Start des Projekts hatten viele Jugendliche Koordinationsprobleme und konnten sich zum Beispiel nicht abrollen, wenn sie hingefallen sind. „Sie fallen dann wie ein nasser Sack, weil das niemals eingeübt worden ist“, erklärt der Schulsozialarbeiter. „Chillen, shoppen, abhängen“, das seien heute für viele Jugendliche die wesentlichen Beschäftigungen, weil sie schon in ihren Familien mit arbeitslosen Vätern und Müttern erleben, dass der Tag, im Grunde das ganze Leben keine Struktur hat. Kooperationspartner, die das Programm „Open Sport“ zusammen mit dem Rat für Kriminalitätsverhütung und der Straßen- und Schulsozialarbeit möglich gemacht haben, sind der Jugendtreff international, der Pfälzische Verein für Soziale Rechtspflege Vorderpfalz, das Dezernat für Soziales, Integration und Sport der Stadtverwaltung, das Caritas-Centrum sowie der Boxring Ludwigshafen, der örtliche Sportverband und der Landessportbund sowie Sportvereine. Alle Angebote sind für die Teilnehmer kostenfrei, sie sollen vielfältig und regelmäßig angeboten werden. Nach dem Wunsch der Organisatoren soll das Modellprojekt „Open Sport“ nicht nur in der nördlichen Innenstadt, sondern in allen Stadtteilen aufgebaut werden. Zusammen mit Vereinen und anderen Projektpartnern soll ein dauerhaftes Angebot mit festen Ansprechpartnern auf die Beine gestellt werden. Die Kosten für das Projekt haben sich seit dem Start im Frühjahr 2012 auf insgesamt knapp 7000 Euro belaufen. Bis September 2015 steht die Planung. Ob und wie es danach weitergeht mit „Open Sport“, ist indes derzeit noch offen, wie Schulsozialarbeiter Koberstein berichtet.