Ludwigshafen „Der Himbeergeist von Spiez“

In Berlin fängt das Internationale Fußballfilmfestival „11mm“ gerade erst an, in Mannheim ist es schon wieder vorbei. Sechs „Spieltage“ lang waren in der Alten Feuerwache erstmals Filme zum Thema Fußball zu sehen, ergänzend gab es Lesungen mit Philipp Winkler und Autoren des Magazins „11 Freunde“.
In der Bundeshauptstadt und Heimat von Hertha BSC und FC Union findet das Festival, das 2004 ins Leben gerufen wurde, bereits zum 14. Mal statt. Noch bis Montag sind dort, im altehrwürdigen Kino Babylon in Mitte, neue Spielfilme, Dokumentationen und Kurzfilme rund um den Fußball zu sehen. Die erste Mannheimer Ausgabe war dagegen noch „ein kleiner Festivalsprössling“, so Projektleiter Sebastian Bader von der Alten Feuerwache. Den aktuellen Anlass, „11mm“ auch hierher zu holen, bot der 120. Geburtstag von Sepp Herberger. Der „Weltmeistermacher“ von 1954 warb auf den Festivalplakaten, im Programm fand Herberger kaum einen Niederschlag. Eine Dokumentation über ihn oder wenigstens der Spielfilm „Das Wunder von Bern“, der von seinem größten Erfolg erzählt? Fehlanzeige. Ebenso wenig tauchten alte Weggefährten Herbergers wie Horst Eckel und Uwe Seeler, die in der Stadt zu Gast waren, beim Festival auf. Die Herberger-Stiftung, die das Festival unterstützte, feierte den Geburtstag ihres Patrons im Rosengarten und versäumte es, ihren Gästen einen Besuch beim Fußballfilmfestival zu ermöglichen. Was zum Einstieg geboten wurde, waren weniger neue Filme wie in Berlin, sondern vor allem solche, die sich schon bewährt hatten und mehr Zugkraft versprachen. Zu sehen waren etwa der schwedische Kinderfilmklassiker „Fimpen, der Knirps“ von 1973, die Doku „Zweikämpfer“, die 2016 den Publikumspreis des Berliner „11mm“-Festivals gewonnen hatte, oder „Transnationalmannschaft“, Philipp Kohls Doku mit Heimvorteil, 2010 in den Mannheimer Stadtvierteln Jungbusch und Filsbach gedreht. Der einzige wirklich neue Film war „Zlatan – Ihr redet, ich spiele“ des schwedischen Brüderpaares Magnus und Fredrik Gertten. Der Film ist ein unaufgeregtes, gleichwohl beeindruckendes Porträt des exzentrischen, vermeintlich arroganten schwedischen Stürmers Zlatan Ibrahimovic, der zur Zeit bei Manchester United eine Sperre absitzt. Es geht vor allem um die Anfangsjahre seiner großen Karriere in Malmö, Amsterdam und Turin. Ibrahimovic wird nicht nur als abgehobener Egomane geschildert, sondern als ein intelligenter Spitzensportler, der aus schwierigen Familienverhältnissen kommt und von Beginn an einem enormen Druck ausgesetzt war. Philipp Köster und Jens Kirschneck von der Zeitschrift „11 Freunde“, dem monatlichen „Magazin für Fußballkultur“, bewiesen in ihrer Lesung echte literarische Qualitäten, viel trockenen Humor und präsentierten filmische Kompilationen. Die zusammengeschnittenen Clips von „Tacklings in der Kreisliga“ oder der „schönsten Schwalben 2016“ waren jedoch nur Beiwerk. Die eigentlichen Glanzstücke waren Kösters und Kirschnecks Texte. Zumindest hier kam Herberger vor, im fiktiven „Geheimen Tagebuch“ seines Spielführers Fritz Walter, in dem der Trainer als „alter Zausel“ gilt und den „Himbeergeist von Spiez“ beschwört. Der Autor Philipp Winkler las aus seinem Debütroman „Hool“, in dem er unter anderem schildert, wie Hooligans und Anhänger von Hannover 96 sich zu sogenannten „Matches“ treffen, Schlägereien mit rivalisierenden Fan-Gruppen. „Einen Grund, sich die Köpfe einzuschlagen, findet man immer“, so Winkler, der selbst aus dem Umland von Hannover stammt. Der brutale, rücksichtslose Hooliganismus erwies sich dabei nicht als das einzige Thema des mehrfach ausgezeichneten Romans, sondern vor allem als Folie, vor dem der Autor andere Inhalte wie Familie, Freundschaft und Verlust verhandelt.