Ludwigshafen Der geläuterte Hitzkopf

Ganz dicke Freunde: Trainer Ben Matschke jubelt mit Alexander Feld. Das Bild entstand kurz nach dem Last-Minute-Klassenverbleib
Ganz dicke Freunde: Trainer Ben Matschke jubelt mit Alexander Feld. Das Bild entstand kurz nach dem Last-Minute-Klassenverbleib in der vergangenen Saison.

«Ludwigshafen.»Das verzerrte Gesicht verheißt nichts Gutes. Alexander Feld krümmt sich vor Schmerzen auf dem blauen Boden in der Friedrich-Ebert-Halle. Der Spielmacher des Handball-Bundesligisten Eulen Ludwigshafen hat sich ohne gegnerische Einwirkung im Spiel gegen den SC Magdeburg am 11. Oktober 2018 verletzt. Es wird still in der Halle, sehr still. Zuschauer, Mitspieler und auch die Akteure des Gegners wissen sofort, dass sich Feld schwer verletzt haben muss. Ludwigshafen verliert das Spiel gegen Magdeburg klar mit 27:38. Es verliert aber auch einen ganz wichtigen Spieler. Wenige Tage später wird die Vermutung zur Gewissheit. Der 25 Jahre alte Feld hat sich die Achillessehne gerissen. Das bedeutet eine mehrmonatige Pause. Die Verletzung kommt zu einem ganz ungelegenen Zeitpunkt. Die Eulen verlieren schon zuvor zahlreiche Spieler wegen Verletzungen. Feld wird schließlich am 18. Oktober in Heidelberg operiert. Er ist mental in einem Tief. „Ich bin zwei Wochen in ein Loch gefallen“, sagt er. Feld fragt sich, warum er, warum jetzt? „Der Zeitpunkt meiner Verletzung war das Schlimmste“, sagt Feld. Er wollte mithelfen, dass die Eulen wieder den Klassenverbleib packen. Er darf nicht. Er kann nicht. Er muss von außen zuschauen, wie seine Mannschaft Spiel für Spiel verliert. Er rafft sich auf. Seine Familie, seine Freundin und Trainer Ben Matschke sprechen ihm Mut zu. Auch Felds Golden Retriever Janosch hat großen Anteil an seiner mentalen Ausgeglichenheit. Im Mai 2018 hat er den Hund geholt. Nun ist er knapp ein Jahr. „Er lenkt mich gut ab vom Sport. Als ich aber den Fuß nicht belasten durfte, war es hart für mich, nicht mit Janosch rausgehen zu können. Umso mehr habe ich mich gefreut, als ich wieder mit ihm spazieren gehen konnte“, erzählt Feld. Das dauert aber eine Weile. Feld ist sich dessen aber bewusst. Er spricht mit Sportpsychologen und lässt sich Ratschläge geben. „Ich habe gelernt, in Schritten zu denken“, sagt er. Die Schufterei für seine Rückkehr wird strukturiert. Sie wird genau geplant. „Der größte Fehler, den man machen kann, ist, sich ein fixes Datum für seine Rückkehr zu setzen“, sagt Feld. Der personifizierte Fahrplan hilft. Am 10. Dezember kommt der Spezialschuh ab, Feld beginnt mit der harten Reha. Die absolviert er bewusst in Köln. Er kennt den Physiotherapeuten noch aus seiner Zeit beim HSV Hamburg. Feld macht schnell Fortschritte. Die verschickt er zum einen über die Kanäle der neuen Medien, hält aber auch Trainer Matschke mit täglichen Videos seines Trainings auf dem Laufenden – bis vorige Woche. Da endet die Reha. Feld ist es wichtig, Matschke detailliert zu informieren über seinen Heilungsverlauf. Denn er hat ein enges, ein vertrauensvolles Verhältnis zum Trainer. „Ben schrieb mir am Tag der OP noch eine sehr nette Mail“, erzählt Feld: „Das ist nicht selbstverständlich. Wir haben nach den Spielen auch immer telefoniert. Ich kenne Trainer, die melden sich kaum bei ihren verletzten Spielern.“ Die enge Bindung zwischen Feld und Matschke hat einen besonderen Hintergrund. Alexander Feld war nicht immer ein einfach zu handhabender Spieler. Er selbst bezeichnet sich als Hitzkopf. Feld lässt sich leicht provozieren und zu unüberlegten Taten hinreißen. Das weiß Matschke, als er Feld vor drei Jahren verpflichtet. Er macht es sich zur Aufgabe, den Hitzkopf zu läutern. Es ist ein langwieriges Projekt – mit ungewissem Ausgang. Feld lässt sich bei den Eulen zwar das ein oder andere Mal zu provokanten Aktionen hinreißen, doch Matschke bekommt seinen Spielmacher immer besser in den Griff. Mittlerweile hat Feld sein Temperament unter Kontrolle und ist zu einer absoluten Führungspersönlichkeit bei den Eulen gereift. „Er lebt seine Emotionen über andere Kanäle aus“, sagt Matschke. Feld ist für den Eulen-Coach ein ganz wichtiger Spieler. „Man sieht ja, dass uns die Qualität eines Alexander Feld fehlt. Ich rede immer gerne von Mentalität. Alex ist ein Spieler mit einem großen Charakter, der außerdem den Unterschied ausmachen kann“, betont Matschke. Noch aber muss sich Matschke gedulden, bis er den ehemaligen Junioren-Nationalspieler wieder in einem Bundesliga-Spiel einsetzen kann. Matschke spricht von Ende April. Feld aber will früher wieder spielen. „Nach dem Spiel in Kiel will ich wieder ins Mannschaftstraining einsteigen“, sagt Feld. Für ihn ist es auch wichtig zu spielen. Sein Vertrag bei den Eulen endet im Juni. Feld will aber weiter in der Bundesliga spielen. Das tat er schon in Hamburg (2014 bis 2016). Für die Eulen sieht es jedoch aktuell düster aus mit dem Klassenver-bleib. Das Team ist mit fünf Punkten Tabellenletzter. Heute in Magdeburg (19 Uhr) wäre ein Sieg eine Sensation. Gummersbach liegt auf dem rettenden 16. Platz mit vier Punkten Vorsprung. „Die Eulen sind mein erster Ansprechpartner“, sagt Feld. Matschke aber meint: „Die Zukunft von Alexander liegt in der Bundesliga. Das werde ich ihm auch so sagen. Natürlich würde ich mich freuen, wenn er bleibt, aber in diesem Moment werde ich nicht als Eulen-Trainer argumentieren. Ich kann Alex keine weitere Bundesliga-Saison bei den Eulen definitiv garantieren. Aber er ist ein guter Bundesliga-Spieler.“ Solche Worte rühren Feld. „So eine Wertschätzung tut extrem gut. Es kann sein, dass ich Anfang Juni nichts habe, aber eine solche Einstellung eines Trainers erlebt man nicht oft. Das weiß ich sehr zu schätzen“, sagt Feld.

Alexander Feld (links, hier im Spiel gegen THW Kiel) ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann.
Alexander Feld (links, hier im Spiel gegen THW Kiel) ist ein Spieler, der den Unterschied ausmachen kann.
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