Ludwigshafen „Dem Herzen mehr Raum geben“

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„Christen und Muslime – glauben wir an denselben Gott?“ Über diese Frage haben am Dienstagabend Tobias Specker und Hureyre Kam vor ungefähr 70 Zuhörern im Heinrich-Pesch-Haus diskutiert.

Theologisch und philosophisch auf hohem Niveau legten der muslimische Wissenschaftler und der katholische Theologieprofessor Specker zunächst ihre Standpunkte dar, um danach mit dem gut vorbereiteten Publikum zu diskutieren. Wie verträgt sich der strikte Ein-Gott-Glaube der Muslime mit dem christlichen Verständnis der Dreifaltigkeit, war ein zentrales Thema der Veranstaltung. Muslime und Christen glauben an denselben Gott. Zu diesem Ergebnis kommen beide Theologen, allerdings mit unterschiedlichen Herangehensweisen und anderen Argumenten. Kam, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Studien der Kultur und Religion des Islam an der Goethe-Universität Frankfurt, näherte sich autobiografisch dem Thema. Er wuchs in Berlin als Sohn eines muslimischen Geistlichen auf. In der Schule und unter Freunden wurde er oft nach den Unterschieden beider Religionen gefragt. Erst der Film „The Message“, 1976 von Anthony Quinn gedreht, gab Kam die Antwort auf die Frage. Der christliche König von Abessinien nahm die verfolgten Moslems in der Frühzeit des Islams unter seinen Schutz, nicht ohne sich jedoch ihre Lehre angehört zu haben. Nach der Auseinandersetzung mit dem anderen Glauben markierte der König den Unterschied zwischen Moslems und Christen durch eine Linie im Sand. Eine Linie im Sand ist nicht tief, kann überwunden werden, aber trotzdem sind die Ausgangspunkte beider Gruppen getrennt. Muslime und Christen glauben an denselben Gott. Es gibt nur eine Wahrheit, die unhistorisch ist, aber Christen und Moslems haben unterschiedliche Traditionen und eine unterschiedliche Geschichte. Eine Annäherung an Gott und die Wahrheit ist nur vom historischen Standpunkt aus möglich, deswegen ist Gott derselbe, doch verschiedene Wege führen zu ihm, erläuterte Kam. Weniger von der Geschichte her als vielmehr vom Standpunkt der Systematischen Theologie arbeitete sich Specker an das Thema heran. Der Juniorprofessor des Stiftungslehrstuhls „Katholische Theologie im Angesicht des Islam“ in St. Georgen, Frankfurt, ging stärker auf das Miteinander beider Religionen ein. Wie Kam möchte er die Gemeinsamkeiten beider Glaubensrichtungen betonen, plädiert aber dafür, dass die Achtung der anderen auch die Differenzen einschließen muss. Er nennt drei Kriterien für ein richtiges Gottesverständnis, die Moslems und Christen erfüllen sollten: Man sollte zwischen dem eigenen Gottesverständnis und Gott trennen können. Keinesfalls dürfe man den anderen grundsätzlich den Glauben absprechen. Nur die sind gute Gläubige, die sich für eine Gesellschaft einsetzen, in der man den Glauben frei wählen und ausüben kann. Eine Auseinandersetzung mit anderen Religionen könne den eigenen Standpunkt verändern und verbessern, betonte Specker. In der anschließenden Diskussion war das Publikum intellektuell gut gerüstet. Die Rolle der Bibel, der Dogmen, der Tradition und der Philosophie waren Themen. „Gott setzt seine Macht nicht mit Gewalt um“, ist für Specker die Kernaussage der Bibel. „Die Sinne, die Tradition und die Vernunft sind die Mittel, mit denen wir uns Gott nähern können“, betonte Kam. Nach soviel Intellekt auf dem Weg zur Wahrheit und zu Gott gab es zum Abschluss Humor und Applaus für den Appell aus dem Publikum: „Wir sollten dem Herzen mehr Raum geben!“ Kopf, Herz, Hand und Fuß können beim christlich-islamischen Begegnungstag für die ganze Familie am Sonntag, 25. September, im Pesch-Haus zum Einsatz kommen.

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