Mannheim Das Tord Gustavsen Trio beim Festival Enjoy Jazz

Tord Gustavsen am Klavier bei einem Konzert in Kaiserslautern.
Tord Gustavsen am Klavier bei einem Konzert in Kaiserslautern.

Nein, es ist keine Entspannungsmusik, die das Tord Gustavsen Trio an diesem Enjoy Jazz Abend spielt. Im Engelhorn Geschäft auf den Planken klang es auch aufwühlend und dramatisch.

Zugegeben: Die ersten Klaviertöne hat der norwegische Pianist so sanft angeschlagen, dass man erst mal tiefer in seinen Sitz rutschte. Ein tiefer Atemzug, die verspannten Schultern fallen lassen, während leise Töne mit ganz viel Luft und Ruhe das Gemüt umschmeicheln. Das Schlagzeug wird von Jarle Vespestad mehr gestreichelt als geschlagen. Der neue Bassist, Steinar Raknes, lehnt sich erst mal auf sein Instrument und hört zu. Dann aber nimmt der Pianist die Zügel etwas straffer, der Bass steigt ein, aber anders als gedacht: Raknes kniet neben seinem Instrument und singt in den akustischen Tonabnehmer.

Das macht er im Lauf des Abends noch öfter und betont damit lange Melodielinien. Die streicht er auch mal mit dem Bogen und gibt dem Trio so eine besondere Farbe. Manchmal verwendet er elektronische Effekte. Einer hebt den akustischen Ton eine Oktave höher, was anders klingt als die Flageoletts, Obertöne auf den Saiten, die Raknes natürlich auch beherrscht. Echo und Hall gehören auch zu seinen Ergänzungen der Klänge. Auch Gustavsen erweitert sein Klangspektrum mit einem Synthesizer, der oben auf seinem Klavier liegt. Es gibt einige Melodien, die dadurch eine eigene Stimme bekommen, manchmal sogar fast etwas unheimlich klingen – schwebend, hohl, wie eine verlorene Seele in weiter Landschaft.

Die Landschaften Nordeuropas

Es stimmt, bei skandinavischen Musikern werden die weiten Landschaften oft bemüht – aber es ist auch etwas dran. Und es ist kein Zufall, dass Gustavsen seit 20 Jahren beim ECM Label aufnimmt, dessen Chef, Manfred Eicher, für diese atmosphärischen Klänge ein besonderes Faible hat. Im aktuellen Album „Opening“ ist der klassische Klang eines Klaviertrios erweitert, ebenso sanft und mit Gefühl für die Wirkung. Während das Album tatsächlich etwas ruhiger wirkt, wird das Konzert ein atmender Wechsel zwischen ruhigen und lebhaften Passagen. Stellenweise wird es auch dramatisch und laut. Sehr beeindruckend ist dabei, wie sich diese großen Spannungsbögen sehr organisch entwickeln. Das Trio wird zu einer Einheit, die dabei frei und zugleich sehr präzise wirkt.

Die Quellen, aus denen der Pianist schöpft, sind oftmals alte Volksweisen, nicht nur aus Norwegen, sondern auch Schweden. Gustavsen witzelt, dass das die Norweger nicht gern sehen. Womöglich haben Norweger und Schweden ein Verhältnis wie Pfälzer und Saarländer? Jedenfalls gab es einen schwedischen Pianisten, Jan Johansson, der ab den 50er Jahren Volksweisen in den Jazz geholt hat und damit in ganz Skandinavien zu einem wichtigen Einfluss wurde. Aber es gibt noch mehr zu entdecken. Ganz sicher erklungen ist „O Haupt voll Blut und Wunden“, eine Melodie des Renaissance-Komponisten Hans Leo Hassler. Und irgendwo tauchte auch Mongo Santamarias „Afro Blue“ auf.

1970 in Oslo geboren

Tord Gustavsen wurde 1970 in Oslo geboren, aufgewachsen ist er in einem 80 Kilometer entfernten Dorf. Mit vier Jahren begann er mit dem Klavierspiel, und es heißt, er habe schon improvisiert und komponiert, bevor er Noten lesen konnte. Jedenfalls hat er auch in der örtlichen Kirche Musik gemacht. Er ging dann nach Oslo, wo er Soziologie, Psychologie und Religionsgeschichte studierte und die Jazzszene entdeckte. 1993 schrieb er sich am Konservatorium Trondheim ein und studierte Jazz, Komposition und Musikanalyse, letzteres baute er aus zu einem Abschluss in Musikwissenschaft. International aufgefallen ist er ab dem Jahr 2000 als Pianist von Silje Nergaard. 2003 entdeckte ihn Manfred Eicher und holte ihn zu ECM, wo er mit verschiedenen Besetzungen bis jetzt neun Alben veröffentlicht hat.

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