Ludwigshafen „Das hat mich damals maßlos gegiftet“

Ingrid Resch und Thomas Braut in Bernhard Wickis „Warum sind sie gegen uns?“ von 1958.
Ingrid Resch und Thomas Braut in Bernhard Wickis »Warum sind sie gegen uns?« von 1958.

Bis 2014 war Hansgünther Heyme Intendant des Ludwigshafener Theaters im Pfalzbau. Seitdem arbeitet er wieder als freier Regisseur. Früher führte er auch Regie in Kino-und Fernsehfilmen und war Schauspieler sowohl auf der Bühne als auch vor der Kamera. Von seiner Zeit als Darsteller im Mannheimer Halbstarkenfilm „Warum sind sie gegen uns?“, dem Regiedebüt des berühmten Bernhard Wicki, erzählte er jüngst anlässlich einer Vorstellung im Heidelberger Karlstorkino.

Der Film von 1958 beginnt und endet am Ludwigshafener Friedrich-Engelhorn-Hochhaus. Inzwischen abgerissen, war das weithin sichtbare Wahrzeichen der BASF zur Zeit der Dreharbeiten nagelneu, hochmodern und noch für Jahre das höchste Gebäude Deutschlands. Eine Rockerbande umkreist die Straßenbahn in der Carl-Bosch-Straße und bedrängt die aussteigenden Passagiere. „Nicht zu glauben, diese Jugend von heute!“ beschweren sich die Fahrgäste. Kurz darauf vergnügen die halbstarken Motorradfahrer sich in einer Kaschemme. Es ist die Zeit, da man noch zu zweit tanzt und nicht alleine. „Das nennen die tanzen!“ bemerkt dennoch der Wirt höhnisch und befürchtet bald: „Die machen mir noch die ganze Bude kaputt!“ Hansgünther Heyme, wenn auch im Getümmel kaum auszumachen, ist einer der jungen Männer. Er selbst, erklärte er im Kino, sei im Gegensatz zu den wilden Motorradfahrern und Tänzern auf der Leinwand keineswegs ein Halbstarker gewesen. In Heidelberg, wo der gebürtige Bad Mergentheimer aufgewachsen ist, habe er eine derart rebellische Jugendkultur auch nie kennengelernt: „Nein, überhaupt nicht.“ Das proletarische Milieu, in dem der Film spielt, sei ihm als Student der Architektur freilich nicht ganz fremd gewesen. Schließlich habe er im Zuge seiner Ausbildung in Mannheim auf dem Bau gearbeitet. Täglich sei er dafür frühmorgens von Heidelberg nach Mannheim gependelt, zunächst mit dem Zug, später mit einem Motorroller, einer Zündapp Bella, die er fünf oder sechs Jahre lang besessen habe. „Ich hatte nur den Führerschein Klasse drei. Damit darf man keine schweren Motorräder fahren“, erinnerte sich Heyme. Sein Stiefvater Kurt Joachim Fischer, der Gründungsdirektor der Mannheimer Kultur- und Dokumentarfilmwoche, aus der das bis heute stattfindende Internationale Filmfestival Mannheim-Heidelberg wurde, hatte das Drehbuch des quasi neorealistischen Films geschrieben und den Schweizer Bernhard Wicki nach Mannheim geholt. „Mein Vater hat nach jemandem gesucht, der einen Namen hat, und der Wicki war ja damals ein sehr bekannter Schauspieler, der jetzt in die Regie wollte.“ Als Sohn des Autors, der sich zudem als Produzent einbrachte, war eine Teilnahme des 22-jährigen Hansgünther verpflichtend. „Ich habe zuerst die Regieassistenz machen sollen, aber ich habe das nicht unter einen Hut gekriegt. Ich war ja Schauspieler am Nationaltheater und habe da irrsinnig viel gearbeitet.“ Für die Hauptrollen von „Warum sind sie gegen uns?“ engagierte man Schauspieler von auswärts, Ingrid Resch und Thomas Braut, beide aus Berlin. Heute längst wieder vergessen, waren beide damals einigermaßen bekannt. „Das war so die zweite Garde. Die, die man bezahlen konnte“, erklärte Heyme. „Der Film ist ja mit ungeheuer wenig Geld entstanden.“ Für alle weiteren, kleineren Rollen bediente Wicki sich des Ensembles des neuen Nationaltheaters am Mannheimer Goetheplatz, das zur Zeit der Dreharbeiten gerade erst in seiner zweiten Spielzeit war. „Wir haben alle die Rollen nicht gekriegt, die wir eigentlich spielen wollten“, erinnerte sich Heyme. Ohne Aussicht auf die Hauptrolle, hätte er gerne wenigstens den Anführer der Gang gespielt. Aber dieser attraktivere Part ging an den sieben Jahren älteren Kollegen Karl-Heinz Martell. Das sei damals der jugendliche Held am Nationaltheater gewesen, 1958 aber eigentlich bereits zu alt für dieses Fach. „Das hat mich damals maßlos gegiftet“, dass er nicht selbst diese Rolle übernehmen durfte, weiß Heyme heute noch wie ehedem. „Denn ich hatte dafür eigentlich genau das richtige Alter.“ In dem nur 64-minütigen Film spielt der nachmalige Bühnenregisseur und Theaterleiter einen namenlosen Gießer in jener Mannheimer Fabrik, in der auch die Hauptfigur Günter arbeitet. Der verbringt seine freie Zeit mit den Kollegen und Kumpels, deren Leben von Ausfahrten mit ihren „Feuerstühlen“ und moderner lauter Musik bestimmt sind. In seiner Familie umfängt ihn Unbehagen und Kälte, während er sich bei der gleichaltrigen Prokuristentochter Gisela sehr viel wohler fühlt. Von ihr fühlt er sich verstanden, aber leider nicht von ihren Eltern, die deutlich besser gestellt sind als Günters Herkunftsfamilie. „Lernen Sie erst mal ’was!“ weist ihn schroff Giselas Vater an. Für Hansgünther Heyme, der jetzt am 22. August 82 Jahre alt wird, blieb die Rolle als Arbeiter nur ein Ausflug und beinahe die einzige, die er überhaupt in einem Film übernommen hat. Lediglich in einem weiteren Film, bei dem er selbst die Regie führte, spielte er noch mit. Bernhard Wicki drehte bereits ein Jahr nach seinem Mannheimer Debüt seinen bekanntesten Film, den Antikriegsklassiker „Die Brücke“. Mit dem Kameramann Gerd von Bonin und dem Filmkomponisten Hans-Martin Majewski waren auch zwei der Mitarbeiter von „Warum sind sie gegen uns?“ dabei wieder mit im Team, jedoch keiner der Mannheimer Schauspieler. Auch Heyme nicht.

Hansgünther Heyme.
Hansgünther Heyme.
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