Ludwigshafen Das Berliner Trickster Orchestra kommt zur BASF – Projekt mit Musikern aus der Region
Überall wird der Zustand der Gesellschaft beklagt: Von Polarisierung ist die Rede, von Spaltung, von Interessengruppen, die im Clinch liegen. Selbst die Regierung dieses Landes wird als zerstrittener Haufen wahrgenommen. Die Frage „Wie geht das neue WIR?“ ist offensichtlich so brisant, dass das BASF-Kulturmanagement ihr besondere Aufmerksamkeit widmet. Thomas Bufler, Leiter der Abteilung, hat deshalb das Berliner Trickster Orchestra zu diesem Thema angefragt. Herausgekommen ist ein großes neues Werk, das über musikalische Genres, Kulturen und Stile hinweg nach Antworten sucht.
Musiker aus drei Orchestern der Region
Auf der Bühne des Festsaals im Feierabendhaus proben die Streicher. Es sind Musiker der Staatsphilharmonie, des Nationaltheaters und des Kurpfälzischen Kammerorchesters, die hier miteinander arbeiten. Vor ihnen steht Ketan Bhatti, Komponist und Perkussionist, der zusammen mit Sängerin und Komponistin Cymin Samawati und Musikdramaturg Philip Geisler das Trickster Orchestra 2013 gegründet hat. Gerade lässt er alle einen schwierigen Rhythmus klatschen, um die nötige Präzision zu bekommen. Derweil proben im Kammermusiksaal die Zupfinstrumente: Mohamad Fityan dirigiert eine arabische Laute, ein japanisches Koto, ein türkisches Saz und zwei Kanun, die gleichermaßen in Griechenland und der Türkei verbreitet sind. Einige Musiker haben schon in anderen transkulturellen Projekten gearbeitet, wie etwa dem Ensemble Colourage, das Künstler der Popakademie, der Orientalischen Musikakademie und der Staatsphilharmonie zusammenbringt. Gerade geht es um Übergänge zwischen auskomponierten und improvisierten Passagen.
Die Sänger kommen aus Heidelberg
In einem Konferenzzimmer leitet Cymin Samawati die Probe der Sänger vom Klangforum Heidelberg. Hier wird gerade probiert, wie Textstellen mit Gesang, Sprache und Geräuschen den Inhalt vermitteln. Das Libretto kommt von Seda Keskinkılıç. Die Mannheimer Autorin hat mit Menschen der Kurpfalz gesprochen, die aus verschiedenen Kulturen stammen, sich den verschiedensten Gruppen und Kollektiven zugehörig fühlen. „Es sind Menschen mit Fluchterfahrungen dabei, Mütter, queere Menschen und viele weitere“, sagt die Librettistin. Aus vielen Gesprächen hat sie gemeinsame Erfahrungen und Gefühle der Menschen destilliert und daraus vier prototypische Stimmen entwickelt: Erschöpft, Dazwischen, Hoffnungsvoll und Amphiphilie, den titelgebenden Begriff.
„Amphiphilie“ ist die Eigenschaft eines Stoffs, sowohl in Wasser, als auch in Fett oder Öl löslich zu sein. Philipp Geisler habe den Begriff vorgeschlagen. „Wir fanden das eine schöne Metapher für Gegensätze, die zunächst nicht vereinbar sind, aber überwunden werden können. Zudem fanden wir einen Begriff aus der Chemie ganz passend für unseren Auftraggeber BASF“, sagt Cymin Samawati. Zum Tor 4 Konzept gehört die Vernetzung, und das haben Samawati, Bhatti und Geisler mit den verschiedenen Ensembles aus Ludwigshafen, Mannheim und Heidelberg realisiert.
Hoffen auf gesellschaftliche Entwicklung
„Dabei haben sich neue Kombinationen ergeben, die trotz der räumlichen Nähe bisher noch nicht zustande gekommen waren“, sagt Samawati. Der Entstehungsprozess des Werks ist zugleich das Paradigma einer (erhofften) gesellschaftlichen Entwicklung: Individualität solle nicht verschwinden, sondern sich verbinden mit anderen und dabei etwas Neues schaffen – hier einen neuen Klangkörper, dort eine neue Gesellschaft, in der Verschiedenheit geschätzt wird und die ein neues Ganzes ergibt. Einfach ist das nicht. „Wir haben sehr lange an der Dramaturgie gearbeitet und hatten zuerst auch ein Konzept, das sich nicht umsetzen ließ“ erklärt Seda Keskinkılıç. Ein roter Faden des Werks seien die geteilten menschlichen Erfahrungen und die Hoffnungen, die bei aller Verschiedenheit der Menschen viel mehr Gemeinsames als Trennendes haben. Bei der Komposition haben Bhatti und Samawatie nach neuen Ausdrucksformen gesucht. Auch hier spiegelt der künstlerische Prozess die Realität: „Als Gesellschaft haben wir noch keine gemeinsame Sprache für ein neues Wir. Die müssen wir noch entwickeln“, sagt Samawatie.
Termin
„Amphiphilie“ (Uraufführung) am Freitag, 23. Februar, 20 Uhr im Feierabendhaus BASF, Leuschnerstraße 47, mit Trickster Orchestra und Musikern aus Ensembles und Orchestern der Region.