Ludwigshafen Charmanter Ganz-Jahres-Aufreger
Dass Dialekt in der Comedy ein Erfolgskriterium sein kann, wissen die Mannheimer seit Bülent Ceylan selbst am besten. Doch auch andere lokale Sprachformen sind in der Quadratestadt gern gehört. So plauderte Michl Müller im ausverkauften Capitol im tiefsten Fränkisch über Putin, seinen Gomera-Urlaub und die Vorzüge einer Ingwerreibe aus Porzellan.
Es gibt so einiges, über das sich Michl Müller gehörig echauffieren kann: Nordic Walker, Radler, Bärlauch und Spargel sind seine saisonalen Aufreger – schließlich ist gerade Mai. Aber schnell wird klar, für den fränkischen Kabarettisten hat Aufregen das ganze Jahr über Saison. Angler, Golfer, militante Rentner, Brieftaubenzüchter, Veganer, Leute, die alles googeln, und natürlich jeder, der unerlaubt vor seiner Einfahrt parkt, bringen ihn auf die Palme. Müllers Motto: „Aufrechen (fränkisch für Aufregen) ist gesund.“ Der Kabarettist arbeitet sich engagiert am politischen Geschehen ab. Materialkrise bei der Bundeswehr, die Zahlungsmoral der Griechen, Mindestlohn. Und für jeden Politiker hat Michl Müller ein freundliches Wort übrig: Andrea Nahles („Die Uftl“), Alexis Zipras und Yanis Varoufakis („Harry Potter und Lord Voldemort“), Thomas de Maizière („das Gebiss des Todes“) und Horst Seehofer („Bayerns größtes Windrad“). Im süddeutschen Raum ist Michl Müller schon länger bekannt. Der 42-Jährige ist einer der Stars der Sendung „Fastnacht in Franken“ aus Veitshöchheim im Bayerischen Fernsehen. In der Fastnacht sammelte Müller auch seine ersten kabarettistische Erfahrungen – nämlich bei Auftritten in seinem heimatlichen Faschingsclub BTC Garitz, ein Stadtteil von Bad Kissingen. Sein erstes Kabarett-Programm entstand 1997. In seiner TV-Sendung „Drei.Zwo.Eins. Michl Müller“ bewertet und kommentiert der Kabarettist die aktuelle Weltlage. Zunächst war diese fränkische Sicht auf die Welt lediglich im Bayerischen Rundfunk zu sehen, seit ein paar Wochen jetzt auch bundesweit in der ARD. Viel Applaus bekam Müller für seinen Erzählungen über seine beiden Freunde: den Tablet PC-Fan Frank und den Dalai-Lama-Fan Holger. Doch zur Hochform läuft Michl Müller auf, wenn er treffsicher und satirisch die Entwicklungen in der Wohlstandsgesellschaft analysiert. Da scheint keine deutsche Küche mehr ohne Senseo-Kaffeemaschine und Thermomix auszukommen, während in der Garage nicht mehr das Auto steht, sondern der monströse Grill. Doch nicht nur das kommt dem bodenständigen Franken komisch vor: „Frauen treffen sich heute nicht mehr zu Tupperabenden, sondern zu Dildo- und Dessous-Partys. Ich glaube, dass diese Dildos aus eingeschmolzenen Tupperdosen bestehen.“ Gesellschaftliche Auswüchse besingt Michl Müller besonders gern in seinen Protestliedern im Stil von Santiano oder Andrea Berg inklusive satirischer Gestik und Tanzeinlage. „Aber eigentlich war das ja kein Protestlied“, gibt er nach jedem Song zu. Damit hat er nicht ganz unrecht. Er wäre gern ein bisschen mehr wie Konstantin Wecker, verrät der Comedian. Denn der könne ganz tolle Protestlieder schreiben. „Bei mir reimt sich auf Hunger und Durst nur Leberwurst.“ Michl Müller kann vielleicht keine kritischen Protestlieder schreiben, dafür aber witzig-ironische Songs über Federweißer und das Geheimnis von Langzeit-Beziehungen: „Weißt du, warum ich bei dir bleibe? Du hast eine Ingwerreibe.“