Ludwigshafen Charaktereigenschaft: Neugier

Zu Felix Mendelssohns Violinkonzert e-Moll hat der Geiger Augustin Hadelich eine ganz besondere Beziehung. Bereits mit neun Jahren hat der mittlerweile 30-jährige Musiker das Stück erstmals gespielt, seither hat es ihn auf seiner Laufbahn immer wieder begleitet Auch bei den Konzerten mit der Staatsphilharmonie kommende Woche im BASF-Feierabendhaus wird das Violinkonzert auf dem Programm stehen.

„Es ist ein wunderbares romantisches Konzert und in der Form und im Gestus das Vorbild für alle Violinkonzerte der Romantik“, schwärmt Hadelich. Er muss es wissen, hat er doch eine ganze Menge Violinkonzerte in seinem Repertoire und spielt sie mit bedeutenden Orchestern. In seiner Wahlheimat USA ist Hadelich schon ein Star. Bald dürfte er auch hierzulande einen ähnlichen Bekanntheitsgrad erreicht haben. Augustin Hadelich wurde 1984 in Cecina in Italien geboren, als Sohn deutsche Aussteiger, die in der Toscana einen Bauernhof betreiben. Mit fünf Jahren begann er mit dem Geigenspiel, angeleitet von seinem Vater, einem Hobbycellisten. Mit sieben Jahren gab er sein erstes Konzert. Violine studierte er am Istituto Mascagni in Livorno, später wechselte er nach Berlin an die Musikhochschule Hanns Eisler. Schon zuvor hatte er einen beträchtlichen Teil seiner Ausbildung und seines frühen Konzertlebens in Deutschland verbracht. Bald, so erzählt er, verspürte er jedoch „den Drang, zu neuen Ufern aufzubrechen“, und ging nach New York an die berühmte Juilliard School of Music, wo er bei Joel Smirnoff studierte, dem Geiger des legendären Juilliard Quartetts. 2006 gewann den ersten Preis des Internationalen Violinwettbewerbes von Indianapolis. Die Jury bescheinigte ihm „Finesse, Charisma und wunderbare Nuancen“. Bald schon musizierte Hadelich mit allen großen amerikanischen Orchestern, darunter dem Boston Symphony, dem New York Philharmonic, dem Cleveland Orchestra und dem Philadelphia Orchestra. In Europa konzertierte er mit dem BBC Philharmonic und dem Radio-Sinfonieorchester Stuttgart. Dabei schien seine Karriere beendet, bevor sie überhaupt angefangen hat: Als er 15 Jahre alt war, verbrannte er sich bei einem Feuer auf dem Bauernhof seiner Eltern Gesicht, Oberkörper und die rechte Hand. Ärzte sagten, er werde nie wieder musizieren können. Ein halbes Jahr konnte er keine Geige in die Hand nehmen, er wurde in seiner künstlerischen Entwicklung um ein Jahr zurückgeworfen, noch heute zeugen Narben im Gesicht und an den Händen von dem Unfall, aber mit eisernem Willen arbeitete er sich wieder heran. Heute geraten die Kritiker bei seinem Spiel ins Schwärmen. Große künstlerische Reife, stupende Virtuosität und Gestaltungskraft, eine Vielzahl an Nuancen und Farben werden ihm bescheinigt. Dazu eine untadelige Intonation und Bogenführung. Das Anhören seiner neuesten CD mit den Violinkonzerten von Sibelius und Adés kann dies alles in vollem Maße bestätigen. Jeder Ton, sowohl bei dem spätromantische Klassiker von Sibelius als auch dem intensiven 2005 entstandenen Konzert des Engländers Thomas Adès, hat Lebendigkeit und eigenen Ausdruck. Die Werkauswahl steht für ein Charakteristikum Hadelichs: das Suchen nach Verbindungen zwischen Werken, die scheinbar nur wenig miteinander gemein haben – bald wird eine CD mit dem Violinkonzert von Beethoven und dem zweiten Konzert von Bartók erscheinen: Dazu kommt auch eine Nähe zur zeitgenössischen Musik. Neben dem Konzert von Adès schätzt er ganz besonders die Violinkonzerte von Ligeti und Henri Dutillieux. Eine „wahnsinnig neugierige und suchende Person“ hat ihn sein Lehrer Joel Smirnoff genannt – das drückt in seinem weiten Repertoire von Bach bis zur Avantgarde aus, das er auch expansiv pflegt. Zehn bis zwölf verschiedene Violinkonzerte hat er jedes Jahr auf seinem Programm – eine ganze Menge „Ständig dasselbe Konzert zu spielen, würde mir auf die Nerven gehen, deshalb spiele ich auf Tourneen immer wieder was anderes“, sagt er. Mit der Deutschen Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz hat der junge Geiger noch nie musiziert, aber er freut sich auf die Zusammenarbeit mit diesem Orchester. Und auf die Zusammenarbeit mit der litauischen Gastdirigentin Mirga Grazynité-Tyla, die er bereits aus den USA kennt und schätzt. Zur Kurpfalz hat Hadelich übrigens eine enge Verbindung: Seine Mutter stammt aus Mannheim, seine Tante lebt noch immer dort, und in seiner Jugend war er häufig hier. „Mannheim ist so etwas wie meine Heimat in Deutschland“ bekennt er. Auch an Ludwigshafen hat er Erinnerungen, wenngleich die eher schmerzhafter Natur sind. Nach seinem Brandunfall in Italien wurde er hierher in die BG-Unfallklinik geflogen und hat hier längerer Zeit mit der Behandlung und der Rehabilitation verbracht.

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