Ludwigshafen Aus Stadträten werden Verfolgte
Das Schicksal der im Jahr 1932 amtierenden 40 Ludwigshafener Stadträte und neun Spitzen der Kommunalverwaltung im Nationalsozialismus beleuchtet Band 44 der Veröffentlichungen des Ludwigshafener Stadtarchivs. Am Montagabend ist das Buch im Stadtratssaal vorgestellt worden.
„Das Wort Stadtparlamentarier wird aus unserem Sprachschatz gestrichen“ – so lautet der Titel des Buches. Mag dieser auch auf den ersten Blick etwas sperrig erscheinen, so bringt dieses Zitat aus der Rede des NSDAP-Fraktionsvorsitzenden Heinrich Foerster bei der Eröffnung des Ludwigshafener Stadtrats am 27. April 1933, der nach den Reichstagswahlergebnissen vom 5. März 1933 umgebildet worden war, die Lage für fast alle Kommunalpolitiker auf den Punkt: Die seit der Wahl im Dezember 1929 amtierenden Stadträte, 40 an der Zahl, und die neun Spitzen der Kommunalverwaltung waren größtenteils nicht mehr im Amt. Und nicht nur das, sie und auch ihre Familien wurden von den Nationalsozialisten zum Teil massiv unter Druck gesetzt, überwacht, verfolgt und verhaftet. „Die Machtergreifung der Nationalsozialisten machte aus fast allen Stadträten fast über Nacht Verfolgte des Regimes“, beschreiben die Autoren Klaus-Jürgen Becker und Stefan Mörz. Es begann eine Leidenszeit, viele litten auch materielle Not. Die beiden Stadtarchivare Stefan Mörz und Klaus-Jürgen Becker haben für dieses über 200 Seiten starke Buch die Biografien der insgesamt 49 Kommunalpolitiker, darunter übrigens nur vier Frauen, zusammengetragen. Zunächst stellen Mörz und Becker die neun Leiter der Referate vor, aus denen die Stadtverwaltung damals bestand. Die Gliederung in Dezernate, wie wir sie heute kennen, wurde erst 1935 eingeführt. Es folgen die Lebenswege der 40 Stadträte. Dafür erschlossen sie nicht nur zahlreiche, bislang ungenutzte Akten des Stadtarchivs, sondern recherchierten auch in anderen Archiven. In einigen wenigen Fällen mussten die Biografien unvollständig bleiben, da die Quellenlage zu dürftig war. Die Autoren zeichnen in ihren Beiträgen das Leben der Politiker von ihrer Geburt über die NS-Zeit bis zu ihrem Tod nach, zeigen ihre menschlichen Seiten, ihre Stärken und Schwächen. Alle werden mit Foto, einer Kurzbiografie und einem Scan ihrer Unterschrift vorgestellt. Eine umfangreiche Einführung beleuchtet die Zeit vor und nach dem Nationalsozialismus. So starben zehn Stadträte im oder kurz nach dem Ende des Dritten Reichs. Nur die Hälfte der 30 Überlebenden engagierte sich nach Kriegsende weiter politisch. „Die Masse der leitenden Politiker der Stadt Ludwigshafen hat ihre Seele nicht an den NS-Staat verkauft – und sie hat einen hohen Preis bezahlt“ - das ist das Fazit der Dokumentation. „Es ist ein Buch für unsere Zeit“, sagte Kulturdezernentin Cornelia Reifenberg (CDU) bei der Buchvorstellung vor über 40 Teilnehmern im Stadtratssaal. Denn Demokratie sei die einzige Möglichkeit, in zivilisierter und gewaltfreier Form gegensätzliche Interessen und Vorstellungen auszutragen. Die Standhaftigkeit der Kommunalpolitiker habe geholfen, den Geist der Freiheit über eine dunkle Zeit zu retten und habe auch beim Wiederaufbau geholfen. „Die Freiheit, für die sie gelitten haben, sollten wir wertschätzen und für sie eintreten“, so Reifenberg. Den Anstoß für diese Dokumentation gab ein Beschluss des Stadtrats im Jahr 2014, das Andenken dieser bei der letzten demokratischen Wahl in der Weimarer Republik gewählten Politiker mit einer Gedenktafel zu ehren. Die Tafel wird in den nächsten Wochen im Eingangsbereich des Stadtratssaals aufgehängt werden. Noch Fragen? Das Buch kann für 17 Euro im Stadtarchiv Ludwigshafen, Rottstraße 17, und im Buchhandel erworben werden.