Ludwigshafen Auch Märchen rocken

Die Gattung Klaviertrio erfreut sich anhaltender Beliebtheit im Jazz: Prächtig gefüllt war daher auch die Alte Feuerwache beim Auftritt des Tingvall Trios. Schöne Melodien und rockige Rhythmen vereint die in Hamburg residierende Band des schwedischen Pianisten Martin Tingvall. Eine neue CD hatte das Ensemble zwar im Gepäck, spielte in Mannheim aber vornehmlich ältere Kompositionen.

2003 gründete Martin Tingvall sein Trio. Seine Musikerlaufbahn begonnen hat Tingvall in Rockbands, wo er die Orgel spielte. Den Jazz lernte er erst später kennen und war fortan begeistert von dieser neuen musikalischen Welt. Bei seinem Jazz-Studium im holländischen Groningen traf er auf den Hamburger Drummer Jürgen Spiegel, der sich als Studiomusiker einen Namen gemacht hatte und wie der kubanische Kontrabassist Omar Rodriguez Calvo in der Begleitband des Pop-Duos Orange Blue spielte. Tingvall stieß zu dieser Band dazu, begeisterte seine Begleiter aber schnell für seine eigenen Kompositionen. Eingängige Melodien und die energetische Kraft der Rhythmen wurden zum Kennzeichen der Band. Hymnisch-ohrwurmhafte Klavier-Melodien werden von einem rockig treibenden Schlagzeug in Fahrt gebracht. Martin Tingvall bevorzugt dabei einen kraftvoll vitalen, oft repetitiven Stil, der seine wohlklingenden Harmonien belebt. Die Komposition „Geisterschritte“ wird getragen von den vital pulsierenden Rhythmen des Schlagzeugers, in deren Sog auch das melodiöse Thema gerät. Die asymmetrisch klackernden Beats adaptierte Jürgen Spiegel aus der Drum & Bass. Seine warmen Kontrabasslinien ließ Omar Rodriguez Calvo dabei sonor ausschwingen, setzte expressive Kontrapunkte zu den Klaviermelodien. Hymnik und Emphase entwickelt Martin Tingvall gerne in seinen weit ausholenden Läufen, lässt sich von der Romantik inspirieren und unterfüttert alles mit einem starken Groove. Eng ineinander verzahnt ist dieses Triospiel, gerade bei den schnellen Stücken wurde deutlich, wie die instrumentalen Scharniere, die pointierten Klavierläufe, der tanzende Bassgroove und die diffizilen Rhythmen ineinander greifen. Gern verwendet Martin Tingvall in seinen Stücken skandinavische Folkore-Motive, intensiviert deren ruhige Harmonik allerdings zu rasender Virtuosität und schillernden Arabesken. Überhaupt hat der Pianist großen Gefallen am Ornamentalen: Furios treibende Läufe und Repetitionen lässt er aus den Tasten tremolieren, um dann mit wohligen Harmonien eine ruhig schwebende Poesie zu entwerfen. In einem kleinen Dorf in Südschweden hat Tingvall ein zweites Domizil, in dessen Ruhe er lyrische Kompositionen schreibt, die oftmals eintauchen in die volksliedhafte Welt seiner Heimat, in dessen Melodien, Sagen und Mythen. Dies verbindet der Pianist mit seiner eigenen Klangpoesie. Dort ist sicher auch sein Stück „Vattensaga“ (Wassermärchen) entstanden, das inbrünstig romantische Geschichten erzählt. Dass auch Märchen rocken können, wurde hier nachdrücklich bewiesen.

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