Ludwigshafen Auch die Freiheit gebiert Ängste

Die Bilder von Egon Schick zeigen apokalyptische Landschaften.
Die Bilder von Egon Schick zeigen apokalyptische Landschaften.

Unter dem Motto „Kunst in der Kirche“ verwandelt sich der Innenraum der Mannheimer Konkordienkirche einmal pro Jahr in eine Ausstellungsfläche. Diesmal war die Kunst Teil des ökumenischen Kirchentag. „Himmelangst“ lautet der Titel der Ausstellung, die Arbeiten von sieben Künstlern umfasst.

Wenn Christen von Gott sprechen, dann sprechen sie meist vom „Lieben Gott“. Das war nicht immer so. Im Mittelalter war das Glaubensbild vieler Menschen von Gottesfurcht bestimmt, von Angst vor Strafe und der Übermacht des Allmächtigen. Dass sich das Bild Gottes gewandelt hat, ist auch ein Verdienst Martin Luthers, der die Begriffe Gnade und Vertrauen mit Gottesglauben zusammenbrachte. Deshalb beschäftigt sich die Ausstellung in der Konkordienkirche zum Lutherjahr mit dem Thema Angst – einem von Martin Luthers Leitthemen, wie Pfarrerin Ilka Sobottke erläuterte. Heute begegnen die Gläubigen ihrem Gott zwar nicht mehr mit Angst, doch der Ausdruck „Himmelangst“ ist noch immer im Sprachgebrauch verankert und beschreibt eine überwältigende Angst. Heute seien es eher globale Bedrohungslagen wie Krieg, Terror oder Autokratien, vor denen die Menschen Angst hätten, sagte Peter Annweiler, ehemaliger Pfarrer der Konkordienkirche. Bei den Werken der sieben Künstler handelt es sich jedoch nicht um christlich orientierte Sakralmotive. „Wir wollen existenziellen Sinn- und Lebensfragen Raum geben“, so Annweiler. In unterschiedlichen Ausdrucksformen präsentieren Werner Degraf, Ina Dewald, Klaudia Dietewich, Fritz Stier, Johanna Baumgärtel und Silvia Szabó ihre Auseinandersetzung mit dem vielschichtigen Thema. Bilder des 2015 verstorbenen Egon Schick sind ebenfalls Teil der Ausstellung. Sie zeigen leere apokalyptische Landschaften in Grautönen. „Schick ist es gelungen, das Urgefühl der Angst direkt auf die Leinwand zu übertragen“, befand Kunsthistorikerin Pamela Pachl in ihrer Einführung. Tatsächlich ist die Wucht der großformatigen Bilder beeindruckend. Mit der Angst vor dem Tod hat sich Ina Dewald mit ihrer Objektkunst auseinandergesetzt. Über einen kleinen Fernseher flimmern Bilder von einer Tunnelfahrt. Denn wie einen Tunnel mit Licht am Ende beschreiben viele Menschen ihre Nahtoderfahrungen. Der Fernseher befindet sich mit mehreren Koffern auf einem Leiterwagen. Er ist nicht nur Sinnbild für die Flucht von Dewalds Mutter aus Danzig im Jahr 1944, sondern auch für die Flucht aus den heutigen Kriegsgebieten. Zentrales Exponat ist allerdings Fritz Stiers auf den ersten Blick verstörende Videoinstallation im Altarraum. Auf den vier Bildschirmen sind zwei Menschen zu sehen, denen jeweils eine Pistole an den Kopf gehalten wird. Angespannt warten sie auf den Schuss, doch als der ertönt, macht sich Erleichterung auf ihren Gesichtern breit. Äußerer Gewalt mit Gelassenheit zu begegnen, sei im Zen-Buddhismus ein Zeichen für einen erleuchteten Geist, erklärte Pachl. „Der Tod ist ein Übergang in eine andere Daseinsform, vor der man keine Angst haben muss.“ Für das Finale der Vernissage hatten Johanna Baumgärtel und Silvia Szabó eine kurze Performance vorbereitet, die sich mit Angst in der heutigen Wohlstandsgesellschaft auseinandersetzte. Angst um Leib und Leben, die pure Existenz oder vor Folter muss in Deutschland wohl kaum jemand haben. Warum haben die Menschen also trotzdem Angst, wieso müssen sich immer wieder Menschen wegen sogenannten Angststörungen in psychiatrische Behandlung begeben? „Die Angst wächst aus der Freiheit, nichts ist deren Ursprung“, lautete das Fazit. Freiheit kann sehr wohl beängstigend sein: Es gibt keinen vorgezeichneten Weg, man muss sich immerzu entscheiden. Der Mensch ist wie ein Blatt im Wind – oder in diesem Fall eine Plastiktüte, die Johanna Baumgärtel mit einem Föhn in der Luft tanzen ließ. Termine Ausstellung „Himmelangst“ bis 27. August in der Konkordienkirche in Mannheim, geöffnet Montag bis Samstag 11-15 Uhr, Donnerstag 20-22 Uhr, jeden Donnerstag um 21 Uhr „Nachtgedanken“.

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