Ludwigshafen Als die Orgelwelt bangte

Was ist mit der großen Orgel geschehen? Orgelfreunde verbrachten eine schlaflose Nacht.
Was ist mit der großen Orgel geschehen? Orgelfreunde verbrachten eine schlaflose Nacht.

Der Brand von Notre-Dame de Paris, dieser ehrwürdigen Kathedrale, die als spirituelles und architektonisches Wahrzeichen Frankreichs im Zentrum der Stadt thront, hat nicht nur die geistliche Welt erschüttert. Millionen Menschen verfolgten am Montagabend der Karwoche den Verlauf des Feuers. Auch Johannes Michel, Landeskantor und Kirchenmusikdirektor an der Mannheimer Christuskirche, verbrachte an diesem Tag eine schlaflose Nacht. „Die gesamte Orgelwelt war elektrisiert und verfolgte den Brand“, so Michel. „Als am nächsten Morgen das Feuer endlich gelöscht war, stellten sich alle Orgelfreunde die gleiche Frage: Was ist mit der großen Orgel geschehen?“ Die Pariser Orgeln haben einen jahrhundertealten Bestand. Ihre traditionsreiche Kultur beeinflusste einen gewichtigen Teil des Repertoires. Sie haben Paris, und nicht zuletzt Notre-Dame, zu einem der bedeutendsten Zentren für Orgelmusik aufleben lassen. Die historische Hauptorgel der Kathedrale, ein Vermächtnis des Baumeisters Aristide Cavaillé-Coll aus dem Jahr 1868, hat Generationen von Organisten und Komponisten inspiriert und das französisch-romantische Klangbild mitgeprägt. Nicht nur Organisten haben eine starke emotionale Verbundenheit mit dieser Kirche und den Orgeln in Paris, Musikliebhaber auf der ganzen Welt sind vom Klang des Instruments berührt. „Am Dienstag nach dem Brand habe ich direkt meinen Kollegen Alexander Niehues vom Katholischen Bezirkskantorat angerufen, ob wir zusammen ein Benefizkonzert machen“, sagt Michel. „Ebenso habe ich den französischen Honorarkonsul Folker Zöller gefragt, ob er die Schirmherrschaft für das Konzert übernimmt. Beide haben sofort zugesagt.“ In einem Rundbrief hat Olivier Latry, Titularorganist in Notre-Dame, seinen Freunden schließlich Entwarnung gegeben: Das Instrument steht noch. Der Brand hat die Orgel nahe den beiden Haupttürmen nicht erreicht, sodass sie wie durch ein Wunder weder Feuer noch Löschwasser abbekommen hat. Sie muss jedoch zerlegt werden. Wann sie wieder bespielbar sein wird, ist noch ungewiss, jedoch wird es wohl einige Jahre dauern, bis sie wieder erklingt. Frankreich und Deutschland zählen zu den Hauptnationen für Orgelmusik. Über viele Jahrhunderte hinweg ist hier der bedeutende Großteil der Literatur entstanden. Wie auch die Geschichte der beiden Länder eng verbunden ist, hat sich diese Kunst über die Landesgrenzen stets gegenseitig beeinflusst: Der deutsche und französische Orgelbau, und damit auch das Orgelspiel, sind immer wieder miteinander verschmolzen und haben dadurch neue Einflüsse bewirkt. Viele Großmeister haben über die Jahrhunderte hinweg die Orgelmusik in beiden Ländern geprägt und weiterentwickelt. Bereits Bach war einer der wichtigsten Einflussträger dieser Entwicklung, der selbst die französische Orgelmusik intensiv studierte und dadurch seinen Personalstil erweiterte. Später beeinflusste dieser wiederum die Musik Frankreichs. „Unsere Steinmeyer-Orgel von 1911 ist ganz unter dem Einfluss der elsässischen Orgelreform entstanden und enthält zahlreiche typisch französische Register“, ergänzt Johannes Michel von der Christuskirche. Das gilt auch für die barocke Marcussen-Orgel der Christuskirche, auf der Carmenio Ferrulli die barocke Prachtmusik der Notre-Dame-Organisten Daquin und Balbastre aufleben lassen wird. Das Benefizkonzert in Kooperation mit dem Institut Français steht im Zeichen dieses Austauschs: „Es geht uns darum, die enge Verbundenheit zwischen der Musik Frankreichs und hier in Deutschland aufzuzeigen“, sagt Honorarkonsul Zöller. „Diese enge Verbundenheit, die dies- und jenseits des Rheins herrscht wird mit dem Konzert ausgedrückt. Es ist ein Zeichen der Freundschaft und Solidarität, vor allem auch hier in der Region, die in besonders engem Maße mit Frankreich verknüpft ist.“ Das Konzert spannt einen Bogen von 800 Jahren Orgelkunst, angefangen mit Pérotin als bedeutender Vertreter der Notre-Dame-Schule. Weitere Werke wichtiger Komponisten, die eng mit Paris und Notre-Dame verbunden waren, darunter Léon Boëllmann, Louis Vierne, César Franck oder Olivier Messiaen mit seiner Meditation „Apparition de l`Église éternelle“, geben einen Einblick in die unterschiedlichen Epochen und reflektieren zugleich die mystische Wertvorstellung von der ewigen Kirche. Auch in Frankreich schätzt man dieses Zeichen der Freundschaft und der kulturellen Verbundenheit sehr, wie Zöller berichtet. „Die Reaktionen meiner französischen Freunde über dieses Konzert sind extrem berührend. Alle haben sich unwahrscheinlich über das Engagement gefreut und stets mit dem gleichen Satz geantwortet: Merci!“ Termin Das Konzert findet am Sonntag, 12. Mai, um 19 Uhr, in der Christuskirche statt und ist ein Gemeinschaftsprojekt des katholischen und evangelischen Bezirkskantorats. Es spielen Alexander Niehues, Carmenio Ferrulli, Johannes Michel (Orgel).

Mit einem Benefizkonzert setzt Johannes Michel in Mannheim ein Zeichen für Solidarität.
Mit einem Benefizkonzert setzt Johannes Michel in Mannheim ein Zeichen für Solidarität.
Die Hauptorgel – hier vor dem Brand – hat Generationen von Komponisten inspiriert. Frankreich und Deutschland zählen zu den Haup
Die Hauptorgel – hier vor dem Brand – hat Generationen von Komponisten inspiriert. Frankreich und Deutschland zählen zu den Hauptnationen für Orgelmusik und haben sich gegenseitig beeinflusst.
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