Interview „Alle können sich über Erfolge freuen“

Vielfach engagiert: Die ehemalige Paralympics-Siegerin Verena Bentele.
Vielfach engagiert: Die ehemalige Paralympics-Siegerin Verena Bentele.

DOSB-Vizepräsidentin Verena Bentele will Vereine beim Neustart nach der Pandemie unterstützen. Die ehemalige Skilanglauf- und Biathlon-Paralympicsiegerin erklärt, warum das Thema Inklusion für Sportabzeichentage so wichtig ist.

Frau Bentele, Sie konnten am inklusiven Sportabzeichentag von Deidesheim im Juli aus terminlichen Gründen nicht teilnehmen. Wäre es der erste Besuch an der Weinstraße gewesen?
Nein, ich kenne die Gegend von Aufenthalten im früherem Weingut Schönhof in Diedesfeld und im Hotel Alte Rebschule in Rhodt. Hannelore und Stephan Hafen haben unsere nordische Ski-Behindertennationalmannschaft in der Vergangenheit sehr unterstützt. Ich hätte mich daher umso mehr gefreut, wieder einmal in der Pfalz zu sein.

Was hat Sie 2021 bewogen, sich trotz der zeitlich sehr anspruchsvollen Tätigkeit an der Spitze des VdK für das Amt der Vizepräsidentin im DOSB zu bewerben?
Ich bin im Vorfeld aus dem Bereich des Spitzensports darauf angesprochen worden. Es wäre doch eine spannende Sache, mich am Neuanfang des Verbandes zu beteiligen und vor allem nach der Pandemie dafür zu sorgen, dass Familien, Kinder und Jugendliche zurück zum Sport finden. Dazu wollen wir nach Möglichkeiten suchen, dem Spitzensport im Land mehr Unterstützung zukommen zu lassen. Man fand, dass ich als eine Person, die aus dem Spitzensport kommt und dazu auch in der Politik (als Beauftragte der Bundesregierung für die Belange von Menschen mit Behinderung, Anmerkung der Redaktion) bereits tätig war, für diese Aufgabe passend wäre.

Dennoch gibt es bei jedem Präsidiumsmitglied bestimmte Präferenzen?
Natürlich ist das bei mir als ehemalige Para-Sportlerin der Bereich Inklusion und das Thema Frauen, dem ich mich anfangs angenommen habe. Es macht aber die gute Form der Zusammenarbeit aus, dass eben nicht nur ich bei der Inklusion tätig bin, sondern sich auch die anderen Präsidiumsmitglieder dieses wichtigen Themas annehmen. Dadurch können auch sie diesen Themenbereich selbst besser kennenlernen und vielleicht auch einmal eine andere Perspektive einbringen. Es erfordert natürlich von uns eine regelmäßige Kommunikation, ohne die geht es nicht.

Wie sieht diese Kommunikation aus?
Jede anstehende Aufgabe wird besprochen und entsprechend der Möglichkeiten verteilt. Und es erfolgt regelmäßig eine Rückmeldung über die Ergebnisse an das gesamte Präsidium. Wir waren jetzt auch schon gemeinsam zu einem ersten Besuch beim IOC und arbeiten eng mit den Landessportbünden und Spitzensportverbänden zusammen und sind auch mit den nicht-olympischen Verbänden in regelmäßigem Austausch. Ich würde sagen, die Kommunikation ist mittlerweile eine Stärke dieses Präsidiums.

Wie hoch ist der zeitliche Aufwand bei der ehrenamtlichen Arbeit im DOSB?
Natürlich muss ich den größten Teil meiner Zeit meiner Arbeit an der Spitze des VdK widmen, das ist selbstverständlich. Was die Treffen im DOSB angeht, bin ich sehr froh, dass wir den größten Teil digital bewältigen und uns aus allen Ecken Deutschlands zusammenschalten können. Auch durch die Pandemie bedingt, hat man durch die Digitalisierung mehr Flexibilität gewonnen. Aber natürlich ist die Aufgabe im organisierten Sport mit entsprechendem Aufwand verbunden, etwa durch Einladungen zu Veranstaltungen. Es ist auf jeden Fall ein Ehrenamt, dass nicht nur alle drei Monate meine Aufmerksamkeit erfordert, man hat schon wöchentliche Termine und Aufträge zu erfüllen. Und wir sind dabei in einer Sportabzeichen-Tour viel unterwegs.

Die Pandemie hatte aber nicht nur diesen einen Vorteil in Sachen Digitalisierung, sondern gerade im Sport viele negative Auswirkungen. Wie will der DOSB reagieren?
Das ist tatsächlich eine riesengroßer Kraftakt, der da in naher Zukunft noch auf uns noch zukommen wird. Gerade sind wir dabei, das Restart-Konzept nachzuschärfen und den Sport als gesamtgesellschaftliche Aufgabe wieder in den Mittelpunkt zu stellen und als Querschnittsaufgabe der gesamten Gesellschaft zu begreifen. Es geht dabei zum einen um Zusammenhalt und Inklusion, aber auch die Gesundheit, wichtige Freizeitgestaltung und Gelegenheit für Menschen, sich wieder zu treffen. Deshalb fördern wir eine große Kampagne, um den Sport vor Ort wieder zu beleben und die Vereine zu unterstützen, etwa bei der Ausbildung neuer Trainer und Übungsleiter und mit einer Ausbildungsoffensive. Und, nicht zu vergessen, besteht ein großer Sanierungsstau bei den Sportstätten im Land, der angegangen werden muss.

Wie bewerten Sie als ehemalige Para-Sportlerin den Stellenwert der Inklusion im Verband?
Ich kann mit Sicherheit sagen, dass das Thema Inklusion im DOSB momentan eine Bedeutung hat wie noch nie zuvor. Und dass nicht nur aufgrund der Wahl einer ehemaligen paralympischen Sportlerin und des vorherigen DBS-Generalsekretärs zum Vorstandsvorsitzenden. Auch der neue Präsident Thomas Weikert denkt den inklusiven und paralympischen Gedanken mit jedem Atemzug mit. Da hat sich im Bewusstsein und beim Stellenwert sehr viel getan.

Was bedeutet Inklusion für Sie generell?
Bei der Inklusion kann es nicht nur darum gehen, dass behinderte und nicht-behinderte Menschen miteinander Sport treiben. Gute Bedingungen, um Sport zur treiben, benötigen auch ältere Menschen und solche, die aus der Integration kommen. Das Schöne am Sport ist es ja, dass jeder seine Möglichkeit findet mitzumachen. Das sollte man sich nicht durch fehlende Informationen oder räumliche Einschränkungen verbauen lassen müssen.

Wo sehen Sie im Bereich Inklusion noch Baustellen?
Ich denke, es ist vor allem für behinderte Menschen immer noch schwer, Zugang zum Sport zu finden, oft aus Unkenntnis, aber auch wegen objektiver Barrieren, die zu überwinden sind. Blinde wie ich brauchen etwa einen Begleitläufer, und gerade im Breitensportbereich ist es ganz schwer, einen passenden Sportpartner zu finden. Und auch der Zugang zu Sportstätten ist nicht immer behindertengerecht, da gibt es noch viel zu tun. Dass der Landessportbund Rheinland-Pfalz dafür Inklusionslotsen eingesetzt hat, ist dabei sehr positiv zu bewerten, was sich einmal mehr bei deren Unterstützung für den inklusiven Sportabzeichentag zeigt.

Welcher Stellenwert kommt bei der sportlichen Betätigung von Menschen mit und ohne Behinderung dem Sportabzeichen zu?
Ich finde es klasse, dass es die Möglichkeit zur Abnahme des Sportabzeichens mittlerweile auch für behinderte Menschen gibt. Man gibt damit allen die Möglichkeit, sich über sportliche Erfolge zu freuen, so wie wir das im Spitzensport nach den Wettkämpfen über unsere Medaillen tun konnten. Man kann sich eine Anerkennung selbst erarbeiten für die vorherige Motivation im Training, die unbedingt dazugehört. Die Inklusion beim Sportabzeichen mit dem gemeinsamen Sporttreiben ist längst überfällig, zumal viele Menschen immer noch nicht wissen, wie das im Behindertenbereich sportlich so läuft.

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