Ludwigshafen Über den Dächern von LU
Hotel Excelsior, direkt am Hauptbahnhof Ludwigshafen, der, nebenbei, für den städteplanerischen Größenwahn der Stadt in den 1970er Jahren steht. Über den Dächern der Stadt. Freier Blick auf die BASF, auf den Pylon, auf das Rathauscenter, auf die verworrenen, irritierenden Hochstraßen – mit Verfallsdatum. Die Bar hier oben, im 17. Stock, ist eine Legende. Ein Ludwigshafener Mythos. „Sie war der Ort in Ludwigshafen“, erzählt Hasan Özdemir. Heute zählt sie der Stadt-Poet zu den Unorten Ludwigshafens. Als solche erscheint sie zumindest im gleichnamigen Kapitel des Buches „LU – 29 Blicke auf Ludwigshafen“. Schwarze Ledersessel haben die Original-Einrichtung aus den Siebzigern verdrängt. Ansonsten ist es wie überall in LU: viel Unfertiges, manch leicht Heruntergekommenes. An der Decke sind einige Leisten locker, Kabel liegen weitgehend zweckfrei in der Gegend rum und führen ins Nirgendwo. Und hinter den Scheiben – der Himmel über Ludwigshafen. Viel grauer als es der Wetterbericht versprochen hatte. „Es geht um die Liebe zu Ludwigshafen“, betont Herausgeberin Julia Kronberg. Um gleich hinterherzuschicken, dass dies ja kein einfaches Unterfangen sei. Kronberg weiß um das schlechte Image der Stadt, und die 29 Beiträge des Buches – einige davon auch von RHEINPFALZ-Journalisten – arbeiten sich an diesen Vorurteilen ab. Mal witzig, mal poetisch, mal essayistisch, mal philosophisch. Denn ohne Bloch kommt natürlich auch dieser aufwendig gestaltete, im Heidelberger Wunderhorn-Verlag erschienene Bildband nicht aus. Das vermeintlich geflügelte Wort von der „Seestadt auf dem Lande“ habe mittlerweile Eingang gefunden in jede offizielle Ansprache der Stadtrepräsentanten, wie Klaus Kufeld, Leiter des Ludwigshafener Bloch-Zentrums, berichtet. Es ist ein sehr schönes Buch geworden – über eine sehr hässliche Stadt? Denn wenn es wirklich um die Liebe zu der Stadt gehen soll, dann verlangt dies schon eine Art An-Lieben gegen all die negativ besetzten Bilder von Ludwigshafen in unseren Köpfen. Trostlosigkeit und Tristesse statt Flugzeuge im Bauch. Eine Innenstadt, die den Namen nicht verdient hat, städtischer Raum, der vor allem als überall leer herumstehender Geschäftsraum wahrgenommen wird. Doch in dem Buch gelingt das Erstaunliche, nicht nur dank des himmelblauen Einbandes: Es gibt eine Poesie hinter all dem Grauschleier, gibt eine Ästhetik des Verwundeten, Verletzten. Eine Schönheit auf den zweiten Blick, wie sie vor allem von den faszinierenden Fotos eingefangen wird: ein Aldi-Einkaufswagen am Rheinstrand; ein Kaugummi-Automat an einer Innenstadt-Häuserecke; ein schäbiger Laternenmast – so sieht es zumindest aus –, darauf die frohe Botschaft: „endless love“. Schließlich ist es doch viel zu billig, sich über Ludwigshafen lustig zu machen. Gleichsam die Mannheimer Perspektive einzunehmen. Die Stadt zu lieben, ist harte Arbeit. Dieses Buch macht sie ein wenig leichter.