Ludwigshafen Zuschauersessel in XXL-Breite

Genügend Platz für Rollstuhlfahrer gibt es im historischen Feierabendhaus: jeweils zwischen den Säulen am Rande. Ein zusätzliche
Genügend Platz für Rollstuhlfahrer gibt es im historischen Feierabendhaus: jeweils zwischen den Säulen am Rande. Ein zusätzlicher Stuhl würde dort jedoch zur Stolperfalle vor den Notausgängen.

Die Sache ist dem größten Chemiekonzern der Welt einigermaßen peinlich. „Grundsätzlich möchten wir es allen Menschen ermöglichen, Veranstaltungen im Feierabendhaus zu besuchen“, beschreibt BASF-Sprecher Florian Tholey das Credo der unternehmenseigenen Kulturmacher. Dieser hehre Grundsatz hat in mindestens einem Fall nicht gegriffen: Als sich Markus Kipper Anfang März den Auftritt des österreichischen Ausnahme-Perkussionisten Martin Grubinger ansehen wollte, war dies nicht zu machen. Im ganzen Feierabendhaus war keine Sitzgelegenheit für den 193 Kilogramm schweren Schifferstadter aufzutreiben. Die Plätze in den historischen Sitzreihen? Zu klein. Die für Saalordner und Rettungskräfte vorgesehenen, seitlich an den Wänden montierten Stühle? Zu klein. Ein zusätzlicher Hocker, den Kipper selbst mitbrachte, in einem der Gänge? Hätte den Fluchtweg versperrt. Ein Stuhl auf den Flächen für Rollstuhlfahrer? Untersagt, ebenfalls aus Gründen von Brandschutz und barrierefreiem Rettungsweg. Der 60-jährige Kipper musste also wieder gehen. Und fühlte sich hernach aufgrund seines Gewichts herabgewürdigt und ausgeschlossen (wir berichteten). Aufwendiger Eingriff in historische Bestuhlung Der unselige Vorfall zeitigt jedoch, wenn man so will, möglicherweise auch etwas Gutes: In der BASF ist ein Denkprozess in Gang gekommen, wie man solch unliebsame Situationen künftig vermeiden könnte. Der Brandschutz habe sich die Sache besehen, auch der Rettungsdienst, sagt Unternehmenssprecher Florian Tholey. Das Ergebnis der Runde: Nach wie vor seien auf den Plätzen für Rollstühle auch nur solche zugelassen. Die könnten nämlich im Notfall hinausgeschoben werden und blieben nicht als eventuelle Stolperfalle auf dem Fluchtweg zurück. Daher sei nun eine Möglichkeit bei Sanitätshäusern „im Bedarfsfall Spezialrollstühle anzumieten und ins Feierabendhaus liefern zu lassen“, so Tholey. Stühle, die rollen und die breit genug sind – damit wäre sowohl dem Brandschutz als auch dem Raumbedarf stark übergewichtiger Besucher genüge getan. Denkbar wäre ebenfalls, „vier bis sechs Sitze auf der Empore“ entsprechend umzurüsten. Auch das klingt plausibel, hat laut Tholey aber einen großen Haken: „So ein Eingriff in die historische Bestuhlung ist sehr aufwendig.“ Daher bedürfe es an dieser Stelle weiterer Gespräche. „In Deutschland werden Möbel nur bis 115 Kilo getestet“ Aufgetan hat sich zwischenzeitlich noch eine dritte Variante, auch dank eines Impulses von außen. Markus Meyer, Geschäftsführer der Kaiserslauterer Firma City-Polster und Mitgesellschafter im Mutterstadter „Sesselhaus“, hatte es zunächst gar nicht glauben können, dass ein Veranstaltungshaus nicht für Menschen größerer Leibesfülle eingerichtet sei. „Warum man da nur Platz für Menschen im Rollstuhl hat und nicht für adipöse Besucher, ist mir ein Rätsel“, sagt Meyer. Obwohl – so richtig erstaunt habe es ihn dann auch wieder nicht, denn „in Deutschland werden die meisten Möbel nur für Gewichte um die 115 Kilogramm getestet“. Darüber hinaus müsse man schon nach speziellen Möbeln Ausschau halten. Der Firmenchef meldete sich bei der RHEINPFALZ mit einem Angebot an die BASF: Er werde kostenlos einen passenden Schwerlast-Stuhl in XXL-Breite und im Wert von rund 500 Euro zur Verfügung stellen. Denn das Problem übergewichtiger Menschen „muss man ernst nehmen“, betont der 49-Jährige, der ein breites Umdenken in der Gesellschaft für geboten hält. Plätze für Saalordner könnten umgebaut werden Auf Vermittlung der RHEINPFALZ haben nun Polster-Unternehmer Meyer und Hanno Sigge, Leiter der Hotel- und Restaurantservices der BASF, für Mitte Mai einen Ortstermin im Feierabendhaus vereinbart, um Möglichkeiten einer gewichtsgerechten Ertüchtigung der bisherigen Bestuhlung auszuloten. Im Fokus stehen demnach die zusätzlichen Plätze für Saalordner, von denen es jeweils drei links und rechts der letzten Sitzreihe auf der Parkettebene gibt. „An deren Stelle lassen sich vielleicht jeweils ein bis zwei Sitze für größere Lasten montieren“, grübelt der Kaiserslauterer Meyer bereits. Die eine oder andere Lösung habe er schon im Kopf. Allerdings müsse er sich das nun erst mal anschauen. Aber: „Mein sportlicher Ehrgeiz ist geweckt.“ Den wird der Möbelfachmann auch brauchen: An der angedachten Stelle soll die Sicht auf die Bühne nicht gerade vorteilhaft sein. Bleibt noch einiges zu klären bis zum Start der nächsten Konzertsaison am 2. Oktober.

Markus Kipper musste auf das Konzert verzichten.
Markus Kipper musste auf das Konzert verzichten.
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