Ludwigshafen „Wir geben schon ziemlich Gas“

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Niemand zu sehen, alle Türen verschlossen. Nur das Café Asyl, das an diesem Nachmittag für ein paar Stunden offen hat, sorgt für etwas Leben. Das Kulturzentrum Das Haus in Ludwigshafen ist ein weitläufiger Betonbau mit bewegter Geschichte. In den 1970er Jahren ein Jugendzentrum mit Folkfestival und Drogenberatung, später ein lustlos betriebenes Kulturzentrum. Immerhin das herbstliche Gastspiel des Festivals Enjoy Jazz und eine Bluesreihe sorgen für überregionale Beachtung. Popkonzerte, Lesungen und Kabarettabende finden dagegen nur sporadisch zwischen Flohmarkt und Bücherbasar statt. Aber jetzt soll alles besser werden. Fabian Burstein, auf dem die Hoffnungen ruhen, eilt mit einem großen Schlüsselbund herbei und öffnet die Glastür. Er ist der neue Hausherr in dem Betonpalast, der sich in ein Zentrum der Kulturszene für die ganze Region verwandeln soll. „Wir geben schon ziemlich Gas“, sagt der gebürtige Wiener mit charmantem Lächeln und unüberhörbarem Akzent, „der Herbst wird schon zeigen, wohin die Reise geht“. Burstein, 33 Jahre, ist seit Mai Leiter des Ludwigshafener Kulturbüros, das bislang für das Straßentheaterfestival, den städtischen Kultursommer, die Schultheaterwoche, Kindertheater international und die Förderung der Kulturszene zuständig war. Die Schultheaterwoche ist inzwischen beim Theater im Pfalzbau gelandet, dafür hat man dem Kulturbüro das Haus zugeschlagen, was dem neuen Leiter mehr Verantwortung und mehr Möglichkeiten verschafft und ein paar Synergien zugunsten der Kulturschaffenden frei setzen soll. Burstein könnte dafür der richtige Mann sein, nach einer vielseitig-schillernden Karriere als Romanautor, Rockmusiker, Filmemacher und Journalist hat er sich vor ein paar Jahren aufs Kulturmanagement verlegt und kuratiert seither Festivals und Firmenevents. Ein Jahr lang hat er das Forum der Jugend in Mannheim geleitet, wollte auch hier schon „ein Haus entwickeln“. Ein soziokulturelles Zentrum sollte daraus entstehen, was in Ansätzen gelang, aber am Ende an Haushaltszuständigkeiten zwischen Kultur- und Sozialressort scheiterte. Das kann in Ludwigshafen nicht passieren, hier ist allein das Kulturdezernat zuständig. Burstein schätzt hier zuallererst die „stabile Finanzierungslage“, was heißen soll, dass von ihm nicht gleich Einsparungen verlangt werden. Allerdings bewegt man sich in Ludwigshafen auch auf niedrigem Niveau, der Programmetat fürs Haus liegt bei jährlich 200.000 Euro, Landeszuschüsse eingeschlossen, dazu kommen noch einmal 300.000 Euro für Kultursommer und Straßentheaterfestival. Bei der Programmplanung wird der Leiter von derzeit nur zwei Mitarbeitern unterstützt, eine Stelle wird noch besetzt. Er habe immer in „personell schwierigen Kontexten“ gearbeitet, merkt Burstein dazu an und bezeichnet die ersten Erfahrungen als „freudvoll“. Von Beginn an gefallen hat ihm auch die Stadt, der er viel Potenzial bescheinigt und wo er wegen des Hochstraßenprojekts eine „Aufbruchstimmung“ verspürt. „Wir wollen Verbündete sein im Prozess der Stadtentwicklung“, sagt Burstein, die Kultur soll seiner Ansicht nach eine Rolle spielen bei der Umgestaltung des Hochstraßenareals. Burstein denkt und plant also durchaus in gesamtstädtischem Kontext, will das Haus stärker vernetzen, die Zusammenarbeit mit der Metropolregion verstärken, für die er auch schon beim „Matchbox“-Projekt in Lorsch als Kurator mitgewirkt hat. Vor allem aber möchte er Kulturschaffende ans Haus locken. Theater- und Tanzgruppen könnten hier neue Produktionen entwickeln und aufführen, Musiker und Bands Auftrittsmöglichkeiten finden, auch eine Künstlerwohnung stehe zur Verfügung. Die Förderung durch den Kultursommer, für Burstein ein „Flaggschiff der Soziokultur“, könnte dabei finanzielle Anreize bieten. Interesse sei in der Region vorhanden: „Es gibt viele Akteure, die Lust haben, Ludwigshafen zu erforschen“. Erste Gespräche mit Vertretern der Musik- und der Theaterszene haben schon stattgefunden. „Wir wollen herausfinden: Was brauchen die Gruppen, was können wir bieten“, sagt Burstein nüchtern pragmatisch. Dafür müsse man nicht Tausende von Euros ausgeben, ist der Kulturbüroleiter überzeugt, der auf die Synergieeffekte von Zusammenarbeit setzt. Warum soll es nicht Kontakte von hiesigen Künstlern mit den Teilnehmern des Internationalen Straßentheaterfestivals geben? Und warum soll nicht eine der Gruppen, die im Sommer beim Festival auftreten, im Winter im Haus ein neues Theaterprojekt entwickeln? Burstein möchte Produktionen der freien Szene ermöglichen, und das Haus soll zum Entstehungs- und Premierenort dieser Neuheiten werden. Natürlich will der neue Leiter auch mit einem vielseitigen Programm mehr Leben ins Haus bringen. Auch da hat er viele Ideen, unter anderem wird die Reihe „Deltahelden“ gestartet mit prominenten und weniger prominenten Musikern aus der Region, den Anfang macht Barbara Lahr. Ansonsten ist das Programm bunt gemischt: Das Kabarettduo Lumpenpack kommt, Johann von Bülow stellt Loriot-Texte vor, der Schauspieler Peter Sodann liest aus den zu neuer Aktualität gelangten „Flüchtlingsgesprächen“ von Bert Brecht. „Das Haus soll glühen“, sagt Fabian Burstein und lächelt charmant. Und irgendwann soll „aus der Rauheit dieses Ortes so etwas wie Charisma entstehen“.

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