Rheinpfalz „Wir beobachten eine gewisse Tendenz“

Blick in eine Moschee: Deutschland sei nicht per se islamfeindlich, sagt der Soziologe Yusuf Sari. Vorbehalte gegenüber der Reli
Blick in eine Moschee: Deutschland sei nicht per se islamfeindlich, sagt der Soziologe Yusuf Sari. Vorbehalte gegenüber der Religion hegten hierzulande trotzdem viele.
Sind die Deutschen tatsächlich islamfeindlich – oder einfach nur Muslimen gegenüber kritischer als anderen Religionen?

Auf Basis unserer Erkenntnisse kann ich sagen, dass weder das eine noch das andere in dieser Pauschalität zutrifft. Wir verfolgen sehr genau, was an Untersuchungen zu diesem Thema vorliegt und planen eigene Erhebungen diesbezüglich. In der Autoritarismus-Studie aus Leipzig stimmen der Aussage „Muslimen sollte die Zuwanderung nach Deutschland untersagt werden“ beispielsweise 44 Prozent der Befragten zu. Das ist schon ein signifikant hoher Anteil. Insofern zeigt sich hier ein Problemfeld in Deutschland. Hier müssten die Ursachen noch intensiver als bisher erforscht werden. Man kann nicht per se sagen, dass Deutschland islamfeindlich ist. Aber wir beobachten eine gewisse Tendenz. Anlass Ihres Vortrags in Frankenthal ist die Internationale Woche gegen Rassismus. Richtet sich Islamfeindlichkeit allein gegen die Religion und ihre Ausübung, oder schwingt da immer auch rassistische Denke mit? Vielleicht nicht immer. Ganz grundsätzlich reden wir ja aber von einer Abwertung der Muslime als Gruppe und des Islam ganz generell auf Basis von Vorurteilen oder vermeintlichem Wissen. Und das ist das Kennzeichen von Rassismus. Insofern ist Islamfeindlichkeit meiner Überzeugung nach immer auch Teil von Rassismus. Außerdem werden auch bestimmte äußere Merkmale – das Aussehen von Menschen, die Art, wie sie sich kleiden – mit dem Islam identifiziert, als „anders“ markiert und gezielt abgewertet. Für dieses Phänomen hat die Wissenschaft den Begriff des antimuslimischen Rassismus geprägt. Der trifft dann auch Menschen, die überhaupt keine Muslime sind – ganz häufig beispielsweise Inder, Sikhs oder Hindus, die wegen ihrer Turbane dafür gehalten werden. Worin liegen die Ursachen für islamfeindliche Tendenzen? Haben diese sich Ihrer Beobachtung nach mit der Flüchtlingswelle ab 2015 verstärkt? Bei der Suche nach Ursachen können Sie auf ganz unterschiedlichen Ebenen ansetzen. Sie können versuchen, das Phänomen aus der Geschichte heraus zu erklären. Sie können die Wirkung politischer Prozesse untersuchen – das Entstehen von Bewegungen wie Pegida oder rechtspopulistischer Parteien in ganz Europa. Und nicht zuletzt spielt auch das Bild eine große Rolle, das Medien vom Islam zeichnen. Ganz gewiss hat insofern auch die Flüchtlingswelle, die Sie erwähnen, und die wir als Begrifflichkeit klar ablehnen, weil sie eine menschenverachtende Haltung gegenüber geflüchteten Menschen reproduziert, einen Einfluss auf die Entwicklung der Islamfeindlichkeit gehabt. Dadurch konnten gewisse rassistische Bilder wieder aufkeimen, in denen beispielsweise grundsätzlich dem arabischen Mann Gewaltbereitschaft oder andere negative Merkmale zugeschrieben werden. Können Sie besonders eklatante Beispiele für Islamfeindlichkeit nennen, die Ihnen aus Ihrer Tätigkeit für Fair International bekannt sind? Die schlimmsten Fälle sind immer die, in denen Kinder und Jugendliche Opfer von Anfeindungen werden – in der Schule oder zum Teil schon in Kindertagesstätten. Das umfasst dann Bemerkungen darüber, welche Kleider beispielsweise Mädchen und junge Frauen tragen, und reicht bis hin zu körperlicher Gewalt. In krassen Einzelfällen passieren Anfeindungen dann nicht nur unter den Kindern, sondern dann sind es sogar Lehrer oder Erzieher, die sich in dieser Art äußern. Auch Angehörige der christlichen oder anderer Religionen sehen sich in manchen Ländern Anfeindungen gegenüber. Warum konzentrieren Sie sich vor allem auf den Islam? Fair International ist schwerpunktmäßig als Nicht-Regierungsorganisation in Deutschland tätig. Und dabei beschäftigt uns eben besonders das Phänomen der Islamfeindlichkeit. Natürlich würden wir aber auch Menschen helfen, die aus anderen Gründen benachteiligt oder angefeindet werden. Wir bearbeiten etwa auch Fälle, in denen sogenanntes Racial Profiling – das Kontrollieren von Personen wegen ihres Aussehens durch Sicherheitskräfte – eine Rolle spielt. Sie beraten Menschen, die Opfer von Rassismus oder Islamfeindlichkeit geworden sind. Wie weit geht das? Wenn sich Menschen bei uns melden, lassen wir uns zunächst genau schildern, was ihnen widerfahren ist. Und versuchen, mit Ihnen die nächsten Schritte zu besprechen. Wir wissen dann schon, welche Stellen wir über solche Vorgänge informieren müssen. Ganz oft aber, und das ist wirklich frustrierend, bleiben die Fälle ohne Folgen für die Täter. Geht es um strafrechtlich relevante Themen verfügen wir über ein Netzwerk von Anwälten, auf das wir zurückgreifen können. In Worms hat vergangene Woche ein junger Tunesier ein 21-jähriges Mädchen erstochen. Wie sehr beeinflussen solche Taten die Wahrnehmung des Islam in der Bevölkerung? Wir verurteilen solche Taten – egal, von wem sie begangen wurden. Die Frage, die sich mir stellt, ist, inwiefern der Gedanke aufkommen kann, dass eine derartig gewaltvolle Tat, mit „dem Islam“– den es so ja nicht gibt – assoziiert werden kann. In dem Sinne haben natürlich solche Taten und die Berichterstattung darüber eine Wirkung, da sie rassistische Denkstrukturen unterstützen, weil fortan von „den Tunesiern“ als Kollektiv mit bestimmten Merkmalen gesprochen wird und sie pauschal vorverurteilt werden. Fair International sammelt allerdings zu all diesen Vorfällen, die uns bekannt werden, Informationen. Termin Vortrag „Islamfeindlichkeit“ zur Internationalen Wochen gegen Rassismus am Montag, 18. März, 18 Uhr, im Dathenushaus, Kanalstraße 6, Frankenthal. Organisiert hat den Abend der Beirat für Migration und Integration. Der Eintritt ist frei.

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