Ludwigshafen Wilde Locken und tolle Stimme

„Wir wollen heute nochmal so richtig einen raushauen.“ Das Versprechen haben Michael Schulte und seine vierköpfige Band definitiv gehalten. Zum Abschluss ihrer „Dreamer“-Tour haben sie einen Abstecher ins Ludwigshafener Kulturzentrum Das Haus gemacht. Der Sänger aus dem hohen Norden der Republik hatte ESC-Flair, sparsame akustische Momente und reichlich Stadionrock im Gepäck.

Auf der Bühne steht ein junger Mann, er trägt zur zerzausten Lockenmähne ein schwarzes T-Shirt und Jeans. Michael Schulte kann auf einen gut gefüllten Saal blicken. Er lebt seinen Traum. Von daher passt der Tour-Titel „Dreamer“ perfekt. Er zielt auf seinen gleichnamigen aktuellen Sampler ab, der einen Überblick über sein bisheriges Schaffen vermittelt und damit auch auf seinen Karriere-Türöffner „You let me walk alone“. Mit dem Song vertrat er Deutschland 2018 beim Eurovision Song Contest. Wer einen Abend im Weichspülergang erwartet hatte, der irrte. Der 28-Jährige, der in der Kleinstadt Buxtehude bei Hamburg lebt, hat längst den Träumer-Modus verlassen und präsentierte sich von einer selbstbewussten und temporeichen Seite. Mit tanzbaren Midtempo-Rock-Nummern wie „Collide“, „Never let me down“ oder „Run Away“ ging er gleich in die Vollen. Nicht selten schufen epische Instrumentals eine mystische Tiefe, breiten dem Sänger einen elaborierten und vielschichtigen Klangteppich aus, auf dem er sich zwischen Falsett, Folk-Schmelz und kraftvollem Gesang stets behütet stimmlich bewegen konnte. Dramaturgisch wurde nichts dem Zufall überlassen: Die Stimme war der Star. Schultes Stimme war es zweifelsohne, die vor Jahren Rae Garveys Aufmerksamkeit gleich zweimal auf sich gezogen hatte. Zum einen waren da Schultes unzählige hochgeladene Cover-Songs beim Internet-Videoportal You-Tube. Zum anderen war da sein Auftritt bei den „Blind Auditions“ in der TV-Casting-Show „The Voice of Germany“ (2012), deren Coach und Juror der Ire damals noch war. Mit der Entscheidung, Schulte in sein Team zu holen, hatte Garvey den entscheidenden Grundstein für dessen Karriere gelegt. Tourbegleitungen für Max Giesinger und die britische Boygroup Blue sowie seine Albumveröffentlichungen „Wide Awake“, „The Arising“ und (ein Jahr vor dem ESC-Auftritt) „Hold the Rhythm“ waren Stationen auf Schultes Weg nach oben. Der gipfelte in privatem wie beruflichem Glück. 2018 wurde zu seinem Jahr: der vierte Platz beim ESC, Publikums-Bambi, Hochzeit, Geburt von Sohn Luis. Aber wo Licht ist, ist auch Schatten. Der Song „You let me walk alone“ thematisiert den frühen Verlust des Vaters. Der Beitrag war Teil eines kleinen, sicherlich vom Publikum erhofften Ausflug in das Universum des beliebten Songcontests. Schulte und seine Musiker präsentierten außerdem ein gut gemachtes Cover von Lena Meyer-Landruts Gewinnersong „Satellite“. Der gehörte gleichzeitig zu den wenigen stillen, akustischen Momenten des Konzerts. „Die Tour hatte für mich oft so etwas wie ein Klassenfahrt-Feeling“, ließ der sympathische Sänger verlauten, bevor er mit Amerikana-Klängen den Abend in Ludwigshafen enden ließ.

x