Ludwigshafen „Wie kommt ein Kind auf so eine Idee?“

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Die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe hat die Ermittlungen übernommen, damit sind die hiesigen Behörden außen vor. Aus Karlsruhe hieß es gestern lediglich, dass es keine weitere Angaben aufgrund der aktuellen Ermittlungen gebe. Fest steht bisher, dass ein zwölfjähriger Deutsch-Iraker, der in Ludwigshafen geboren wurde, eine Nagelbombe zusammengebastelt haben soll. Der Junge soll am 26. November versucht haben, den Eigenbau auf dem Weihnachtsmarkt zu zünden. Er bestand aus einem Vorratsglas mit einem Schraubdeckel aus Metall. In dem Behältnis befand sich Pulver, das der Junge aus Feuerwerkskörpern und Wunderkerzen gewonnen hat. Das Glas war mit Nägeln und einem Klebeband umwickelt, wie die Staatsanwaltschaft Frankenthal weiter auf Anfrage mitteilte. Das Glas war am 5. Dezember in einer schwarzen Tasche an einem Abfallcontainer im Warenlieferhof des Rathaus-Centers gefunden worden. Der Hof hinter dem Einkaufszentrum war nach dem Fund einige Stunden abgesperrt gewesen (wir berichteten). Laut Landeskriminalamt war der Glasinhalt brennbar, aber nicht explosionsfähig. Da der Junge wegen seines Alters strafunmündig ist, sind die Ermittlungen gegen ihn gestern eingestellt worden. Strafrechtlich verfolgt werden Jugendliche erst ab 14 Jahren. Die Generalbundesanwaltschaft prüft nun, ob das Umfeld des Jungen einen radikal-islamistischen Hintergrund hat. Die Anregung dazu kam von der Staatsanwaltschaft Frankenthal. „Wir nehmen die Sache ernst. Es geht auch um die Frage der Beeinflussung des Kindes durch sein Umfeld“, sagte Leitender Oberstaatsanwalt Hubert Ströber. Nach RHEINPFALZ-Informationen ist die elterliche Wohnung des Kindes in Ludwigshafen nach dem Glasfund durchsucht worden. Zudem soll es Hinweise geben, die den Verdacht nahelegen, dass der Junge Kontakt zu Islamisten hatte. Eine offizielle Bestätigung war bisher dafür nicht zu bekommen. Der Zwölfjährige ist Anfang Dezember mit Zustimmung seiner Eltern unter die Obhut des städtischen Jugendamts gestellt worden. Er ist nun an einem gesicherten Ort außerhalb von Ludwigshafen untergebracht. Gestern fand in Mainz im Landesjugendministerium ein Gespräch aller beteiligten Behörden statt. Die Stadt Ludwigshafen geht davon aus, dass die Landesregierung für eine dauerhafte sichere Unterbringung des Jungen sorgt und das Jugendamt mit dem Fall nicht alleine lässt, wie Oberbürgermeisterin Eva Lohse (CDU) am Nachmittag in einer zweiminütigen Pressekonferenz sagte. „Von dem Jungen geht keine Gefahr mehr aus“, sagte die OB. Weitere Auskünfte wollte die Stadtspitze nicht geben, da die Generalbundesanwaltschaft einen „Auskunftsvorbehalt“ ausgesprochen habe und andere Behörden deswegen keine weiteren Auskünfte geben dürfen. Der Ludwigshafener Fall hat gestern bundesweit für Aufsehen gesorgt. Auf dem Weihnachtsmarkt am Berliner Platz herrschte unterdessen der übliche Betrieb. Viele nutzten ihre Mittagspause, um eine Bratwurst zu essen oder einen Glühwein zu trinken. Lediglich die Reporterteams passten nicht ins Bild. „Haben Sie schon gehört, dass hier ein Anschlag verübt werden sollte, was sagen Sie dazu“, fragte ein TV-Team des Privatsenders Sat.1 ein paar junge Mütter, die das natürlich nicht gut fanden. Die Schausteller in ihren Buden verfolgten das Treiben mit gemischten Gefühlen. Sie befürchten, dass ihnen mit Terrorangst das Geschäft verhagelt wird. „Hier hängen Existenzen dran“, sagt Thomas Schulz (42), Vorsitzender des Schaustellerverbands Pfälzer Bund. Er warnt vor Panikmache. „Ob das alles stimmt, was der Junge erzählt hat?“, fragt er sich in seinem Süßwarenstand. Von einer konkreten Gefährdung des Weihnachtsmarkts sei nichts zu spüren gewesen. Polizei und Ordnungsamt laufen seit den Anschlägen in Paris im vergangenen Jahr auch auf dem Weihnachtsmarkt verstärkt Streife, sagt Schulz. Auch Marcus Endlich hofft, dass er weiterhin genügend Glühwein über die Theke seiner Bude verkaufen kann. „Ich hoffe nicht, dass die Geschichte mit dem Jungen Auswirkungen aufs Geschäft hat – das wird sich in den nächsten Tagen zeigen“, sagt der 40-Jährige. Der Fall beschäftigt den Vater eines neunjährigen Sohns. „Wie kommt ein Kind auf so eine Idee?“, fragt sich Endlich. Er, Schulz und auch seine Kollegin Karin Hartinger betonen, dass sie keine Angst haben. Und sie hoffen, dass dies auch bei ihren Kunden so ist. „Die letzten Tagen sind entscheidend fürs Geschäft“, sagt Hartinger. Ordnungsdezernent Dieter Feid (SPD) betonte, dass es aktuell keine Hinweise auf eine Gefährdung in Ludwigshafen gebe. Auf dem Weihnachtsmarkt wird auch am Programm nichts geändert. Das heute Abend geplante Feuerwerk soll stattfinden – trotz allem. 

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