Ludwigshafen Wenn Stress zur Sendepause führt

Die Chancen, unter der Woche einen Parkplatz nahe des Einkaufsmarkts zu ergattern, sind groß.
Die Chancen, unter der Woche einen Parkplatz nahe des Einkaufsmarkts zu ergattern, sind groß.

Sechs Straßenreihen mit jeweils rund 70 Parkplätzen warten vor dem Einkaufszentrum. Dazu noch einmal die beiden verkürzten Reihen vor dem Getränkemarkt. Wirklich voll sind an diesem Abend nur die ersten beiden. Danach wird es weniger. Ein Golf fährt vor. Der Fahrer blickt sich suchend um. Der Mann in dem Wagen mit Ludwigshafener Kennzeichen würde offensichtlich am liebsten in den Haupteingang fahren. Muss dann aber doch ein paar Schritte laufen, findet einen Parkplatz in der vierten Reihe – immerhin weit vorne. Augenscheinlich eine gute Voraussetzung für einen gelungenen Einkauf. Geht man nach den Gesichtern, dann ist der abendliche Einkauf in erster Linie kein Vergnügen. Ziemlich unentspannt steigen Familienväter aus, holen sich mit verkniffenen Gesichtern den Einkaufswagen aus einem der Unterstände, während sich die Partnerin um den Nachwuchs kümmert, der auf dem Rücksitz in sein Computerspiel auf dem Smartphone vertieft ist. „Los jetzt, komm!“ Dieser Satz und diese Szene wiederholen sich in dieser Stunde häufiger. Nur die Lautstärke der Ansprache und manchmal auch die Sprache an sich variieren. Am Gesichtsausdruck des jeweiligen Juniors ist aber deutlich zu erkennen, dass zumindest für die Einkaufsdauer das Smartphone zunächst einmal Sendepause hat. Es sind Männer und Frauen, es sind Alt und Jung, Anzüge und lockere Freizeitkleidung – einkaufen muss jeder, und auf dem Globus-Parkplatz treffen sich alle Schichten. Nur Fahrradfahrer sind selten. Gerade einmal drei Drahtesel stehen zu dieser Stunde am Markt, ein wenig versteckt hinter dem Stand, an dem es Neuen Wein, Kartoffeln und Zwiebeln gibt. Und ein Motorrad steht auch da. Ein ganz besonderes sogar. „Dieser Stil nennt sich Ratbike“, erklärt der stolze Besitzer der mattbraunen Yamaha, die einen gepflegt ungepflegten Eindruck hinterlässt und dadurch zum Hingucker wird. Der Einkauf wird in den unzähligen Stauboxen der Maschine untergebracht, eine Packung Schaumküsse verschwindet im Netz auf der Ablage. Und dann verschwindet auch der Fahrer mit seinem Bike. Andere sind noch da. Die schieben leere Einkaufswagen in den Markt und kommen mit mal mehr, mal weniger gefüllten Drahtrollern wieder zum Auto zurück. Überhaupt sind es, geht es nach der Menge, die von den Wagen in den Kofferraum wandern, am Abend unter der Woche selten die Wocheneinkäufe, die getätigt werden. Vielmehr werden Vorräte ergänzt, Fehlendes wird aufgefüllt. „Wir haben dringend Klopapier gebraucht“, sagt eine Frau, auf deren Einkaufsliste gleich mehrere Familienpackungen mit weißen Rollen gestanden hatten. „Wir haben zu Hause vier Kinder, und manchmal bringen die auch noch ihre Freunde mit“, erklärt sie fast entschuldigend und mit einem erleichterten Lächeln. „Ich habe heute schon den ganzen Tag gearbeitet, und jetzt geht es nur noch nach Hause.“ Dorthin streben wohl die meisten an diesem Abend. Die Gesichter nach dem Einkauf sehen alle ein bisschen entspannter aus, als noch wenige Minuten zuvor beim Sturm durch den Haupteingang. Aber das kann im Dämmerlicht auf dem Parkplatz natürlich auch täuschen.

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