Rheinpfalz Wenn das Zuhause zum Tatort wird

Nach einem Delikt von häuslicher Gewalt kann die Polizei den Täter aus der gemeinsamen Wohnung verweisen.
Nach einem Delikt von häuslicher Gewalt kann die Polizei den Täter aus der gemeinsamen Wohnung verweisen.

«Bad Dürkheim.» Frauen sind durch Gewalt in der Partnerschaft mehr bedroht als durch andere Gewaltdelikte. Phasen von Trennung und Scheidung sind für sie besonders gefährlich. Weil Gewalt in Paarbeziehungen meist nicht völlig unerwartet eskaliert, hat die Polizei ein Management für Hochrisiko-Fälle eingerichtet.

In den eigenen vier Wänden ist leider auch die Gewalt zu Hause. Im „geschützten“ Rahmen der Familie und anderen engen sozialen Beziehungen kommt es am häufigsten zu körperlicher Gewalt, Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Seit zwei Jahren gibt es im Polizeipräsidium Rheinpfalz ein Management für Hochrisiko-Fälle. Die Beteiligten der Polizeidirektion Neustadt haben jetzt in einem Gespräch mit der RHEINPFALZ ein positives Fazit gezogen. Die Polizei orientiert sich bei der Gefahreneinschätzung von Gewaltopfern an Checklisten oder Risikofaktoren, die auf eine Gewalteskalation zwischen den Beziehungspartnern schließen lassen. Grundlage ist ein Fall von Gewalt in engen sozialen Beziehungen, der entweder von der Polizei selbst erfasst oder über ein Frauenhaus oder eine Beratungsstelle der Polizei bekannt wurde. Die Analyse des Falls ergibt eine niedrige oder hohe künftige Gefährdung des Opfers. So ist die Angst der Betroffenen, meist Frauen, ein ausschlaggebendes Element, welche Mittel die Polizei ergreift. Auch die Art des Gewaltakts kann ein Hinweis sein. So ist zum Beispiel ein Würgen am Hals ein Indiz dafür, dass es die Polizei mit einem besonders gewaltbereiten Täter zu tun hat. Außerdem rückt ein Täter in den Fokus der Ermittler, wenn er wiederholt gegen polizeiliche Betretungsverbote sowie gegen straf- oder zivilrechtliche Verfügungen verstoßen hat. Den Tätern wird zuerst von der Polizei verboten, die betroffenen Frauen zu kontaktieren und die gemeinsame Wohnung zu betreten. Über die Fälle häuslicher Gewalt und ihre Risiko-Analyse gibt es einen regelmäßigen Austausch in so genannten Fallkonferenzen. Von der Polizei sind Tina Winzen, Hoch-Risiko-Verantwortliche der Polizeidirektion Neustadt, und Reiner Mechnig, Sachbearbeiter für Gewalt in engen sozialen Beziehungen der Polizeiinspektion Bad Dürkheim, feste Mitglieder dieser Konferenzen. Sie setzen sich mit Alexandra Schlosser von der Interventionsstelle Neustadt zusammen, um über die Fälle zu beraten. Wenn das Frauenhaus involviert ist, sitzt auch Diplom-Sozialpädagogin Johanna Born mit am Tisch. Falls Kinder betroffen sind, bringt sich Elke Heß vom Kreisjugendamt in die Diskussionen ein. Auch Bewährungshelfer können hinzugezogen werden. Die Treffen finden in der Regel in der Polizeiinspektion Bad Dürkheim statt. „Der Austausch ist für uns sehr wichtig geworden“, sagt Winzen. Informationen werden zusammengetragen und ein Aktionsplan für Täter, Opfer und Kinder erstellt. „Ich habe durch unsere Konferenzen gelernt, was beachtet werden muss, wenn Kinder betroffen sind“, fügt die Polizeibeamtin hinzu. Elke Heß erläutert, dass Kinder ein Recht darauf haben, beide Elternteile zu sehen. So sorge das Kreisjugendamt dafür, dass ein Umgang mit dem Vater weiterhin möglich ist. Ziel dieser Treffen ist es insbesondere, dass es in Zukunft zu keiner noch schwereren Körperverletzung kommt. Bei der Fallanalyse sei den Konferenzmitgliedern auch bewusst, dass ein Fall von häuslicher Gewalt nicht plötzlich auftrete. „Es gibt meist eine lange Vorgeschichte, in denen Männer immer massiver die Kontrolle über ihre Frauen erlangen. Sie isolieren sie regelrecht, damit sie sich keine Hilfe holen können“, sagt Born. Sie betont, dass Frauen aus allen sozialen Schichten von solchen Situationen betroffen sein können. Erschreckend oft, so Schlosser, würde schwangeren Frauen Gewalt angetan. Erfreulich sei, dass die meisten Opfer, nachdem sie sich Hilfe gesucht haben oder die Polizei eingeschritten ist, einen Rückgang der Gewalt erlebten. „Wir tun, was wir können, aber letztlich müssen wir akzeptieren, dass es auch Fälle gibt, bei denen wir machtlos sind“, gibt Schlosser zu. So ist im Juli 2018 eine 19-Jährige in Neustadt von ihrem Ex-Freund ermordet worden. Auch sei man machtlos, wenn sich Frauen trotz aller Hilfe entschließen, doch wieder zu ihren gewalttätigen Männern zurück zu gehen.

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