Rhein-Pfalz Kreis Vorsitzender des SV Schauernheim: "Es ist ein ehrlicher Sport"

Ein Kleinfeld-Kunstrasenplatz ist derzeit das große Thema beim SV Schauernheim – und das zentrale Projekt, das Jochen Handrich i
Ein Kleinfeld-Kunstrasenplatz ist derzeit das große Thema beim SV Schauernheim – und das zentrale Projekt, das Jochen Handrich in seiner Zeit als Vorsitzender vorangetrieben hat. Er ist Amateurfußballer mit Leib und Seele. »Es ist ein ehrlicher Sport«, sagt er.

Normalerweise läuft es so: Die alten Recken eines Vereins erklären sich bereit, noch einmal für zwei Jahre die Vorstandschaft zu besetzen. Beim SV Schauernheim übernahm vor sechs Jahren aber der 24-jährige Jochen Handrich das Ruder und stellte den Klub wieder auf solide Füße. Nun will er sich zurückziehen – und die Suche begann von Neuem. „Vereinsleben ist etwas Schönes“, sagt Handrich. Auch, wenn es sich sehr verändert hat.

Herr Handrich, ist der Vereinsvorsitzende manchmal auch der Depp vom Dienst?

So weit würde ich nicht gehen. Die Mitglieder suchen natürlich immer das Gespräch mit dem Vorsitzenden, egal ob etwas im Argen liegt oder es gut läuft. Das Amt ist sehr arbeitsintensiv, deshalb ist es wichtig, ein Team um sich herum zu haben, an das man auch Aufgaben delegieren kann. Aber es gibt immer weniger, die so einen Verein mittragen wollen. Sie waren sechs Jahre lang Chef des SV Schauernheim. Wie kamen Sie zu der Ehre? Es war nicht ganz vom Regen in die Traufe. Aber es war eine schwierige Situation für den SV Schauernheim – und der Verein liegt mir am Herzen. Damals kündigte der Vorstand an, nicht mehr zur Verfügung zu stehen und es war schwierig, einen Nachfolger zu finden. Zudem war die finanzielle Situation des Vereins prekär. Woran lag das? Es hat sich vieles angehäuft. Veranstaltungen liefen mal gut, mal schlecht, gerade Freiluftveranstaltungen sind ja sehr wetterabhängig. In der Gaststätte haben sich Schulden angehäuft, die nicht mehr beglichen werden konnten. Wann ist bei Ihnen der Entschluss gereift, als Vorsitzender in die Bresche zu springen? Es war schon die zweite Hauptversammlung, bei der ersten fanden sich keine Kandidaten. Dann habe ich mir die Zahlen angeschaut und überlegt, wo man etwas optimieren und den Verein wieder auf die Beine stellen kann. Die Entscheidung fiel dann ziemlich schnell. Ist das Amt ein zweifelhaftes Vergnügen? Natürlich hat man auch Stress als Vorsitzender. Aber ich finde, dass es auch für die Entwicklung einer Person eine gute Sache ist. Ich war 24 Jahre alt, als ich den Verein übernommen habe. Die Verantwortung war eine Herausforderung, bei der ich viel gelernt habe und die mich weitergebracht hat. Im Umgang mit Menschen, aber auch im Operativen. Als normales Mitglied weiß man ja nicht, was sich hinter dem Betrieb eines solchen Vereins verbirgt. Als Vorsitzender ist man immer auch Geschäftsführer des Klubs. Wenn es Ihnen Spaß macht, warum wollen Sie dann aufhören? Die Zeit. Mein Job nimmt mich immer mehr in Anspruch. Und unsere zweite Tochter kommt bald auf die Welt. Jetzt geht erst einmal die Familie vor. Aber natürlich werde ich den Vorstand weiter unterstützen. Wie gestaltete sich die Suche nach einem Nachfolger für Sie? Sie war schon schwierig. Wir haben die Entscheidung getroffen, die Suche sehr offensiv zu gestalten. Wir wollten nicht den Termin der Versammlung abwarten, um Kandidaten zu finden. Wir haben im Amtsblatt der Gemeinde und bei der RHEINPFALZ eine Art „Stellenausschreibung“ veröffentlicht. Wir wollten in jedem Fall vermeiden, dass an der Versammlung keine Geschäftsführung gewählt wird. Wir haben nun aus den Reihen der Fußballabteilung je eine Person gefunden, die bei der Wahl für den Vorsitzenden und seinen Stellvertreter antritt. Wie würden Sie den SV Schauernheim beschreiben? In uns steckt enormes Potenzial. Das sieht man auch an unserem Kunstrasen-Projekt. Wir machen etliches in Eigenleistung, da packen viele mit an. Auf der anderen Seite fehlt es dann doch, Verantwortung zu übernehmen. Das ist ganz komisch, vielleicht ist es auch ein gesellschaftliches Problem. Wenn es eine Initialzündung gibt, sind viele bereit, etwas zu tun. Aber von sich selbst aus tun die wenigsten was. Aus was für einem Holz muss ein Vorsitzender geschnitzt sein? Man muss viel aushalten können und auch mal verschiedene Meinungen einfach aufnehmen, ohne direkt zu reagieren. Wichtig ist, Dinge koordinieren zu können. Denn letztlich sollte der Vorsitzende den Verein nach außen präsentieren und innerhalb des Klubs gemeinsam mit der Vorstandschaft die Strippen ziehen. Wie viele Stunden pro Woche hat Sie das Ehrenamt des Vorsitzenden vereinnahmt? Es ist sicher eine Stunde pro Tag nötig. In Spitzen können es manchmal drei Stunden pro Tag sein. Es ist schon Arbeit. Aber es war auch eine Ausnahmesituation, so ein Projekt wie den Kunstrasen voranzubringen, quasi aus dem Nichts. Und das als Verein, der anfangs nirgendwo mehr einen Kredit bekommen hätte. Für mich war es eine enorme Belastung – und für die Familie auch. Was unterscheidet das Amt des Vorsitzenden vom Amt vor 20 Jahren? Es ist heute wohl ein stückweit komplizierter geworden. Die Mitglieder sehen nicht immer, dass sie alles, was sie für sich tun, auch für den Verein tun. Das ist wohl ein Generationenproblem. Und das Leben an sich ist viel reicher an Alternativen geworden, was den Sport betrifft. Es spielt sich nicht mehr so viel im Verein selbst ab wie vor zehn, 20 Jahren. Wie will der SVS modern bleiben? Der Kunstrasen ist enorm wichtig. Wir haben alle Jugendmannschaften besetzt und haben lediglich ein Großfeld ohne Flutlicht und eine Halle, die ebenfalls saniert wird. Wir sind an unsere Grenzen gestoßen. Wenn Platz und Halle fertig sind, wollen wir das Angebot wieder erweitern, mit verschiedenen Kursen und Turnen zum Beispiel. Wir wollen wieder als Sportverein wahrgenommen werden, nicht als reiner Fußballverein. Ist Vereinsleben heute noch modern für Sie? Schwierig. Ich denke, dass wir ein Niveau erreicht haben, auf dem wir bleiben werden. Früher war der Verein ein Mittelpunkt. Das ist nicht mehr der Fall. Aber ich denke nicht, dass das Interesse noch weiter nachlässt. Sitzen die Schauernheimer nach dem Fußballspiel noch in der Wirtschaft zusammen? Das ist rückläufig. Aber es gibt immer noch den harten Kern, der einfach sitzen bleibt. Aber so wie früher, dass es quasi eine Pflicht war, nach dem Spiel noch in die Kneipe zu gehen, ist es nicht mehr. Sportlich schaut es gar nicht so schlecht aus, die erste Mannschaft steht auf Platz 2 der B-Klasse. Was ist das Ziel für diese Runde? Vor der Saison haben wir ein bisschen tief gestapelt und wollten unter die ersten fünf. Jetzt ist das Ziel: Wir wollen aufsteigen. Wer ist beim SV Schauernheim das typische Unikat des Amateurfußballs? Unsere Galionsfigur Hans Bachschmidt ist erst vor Kurzem verstorben. Er war 66 Jahre Mitglied und die Hälfte davon in einer Funktion in der Vorstandschaft. Aber es gibt noch zwei, drei andere, zu denen man als Jugendlicher aufschaut und staunt, was die alles machen. Es gibt viele treue Begleiter des SVS. Aber ja, es werden weniger. Die Leute hören auf zu kicken und verlieren die Bindung zum Verein. Eine Rentnergeneration, die immer wieder was tut, wird es in Zukunft vielleicht nicht mehr geben. Was könnte man machen, um das Ehrenamt wieder attraktiver machen? Wir müssen die Kommunikation im Verein verbessern. Damit sich die Mitglieder ein Bild davon machen können, was der Vorstand so treibt. Dann erkennen sie, dass so eine Aufgabe auch Spaß macht und man eben nicht nur der Depp vom Dienst ist, der immer angerufen wird und vor Ort sein muss. Was macht den Amateurfußball so besonders? Es ist ein ehrlicher Sport. Wenn es gut läuft, spielt man mit seinen Kumpels zusammen. Niemand ist auf den anderen neidisch. Man kann sich mit dem eigenen Verein identifizieren. Es ist einfach eine schöne Sache.

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