Rhein-Pfalz Kreis Vom Meucheln und Morden

So könnte es gewesen sein – Artur Krämer hat gezeichnet, wie er sich den Mord am Russenloch vorgestellt hat. Oder war alles ganz
So könnte es gewesen sein – Artur Krämer hat gezeichnet, wie er sich den Mord am Russenloch vorgestellt hat. Oder war alles ganz anders?

«Hochdorf-Assenheim.» Die Wirren der napoleonischen Kriege sind auch in Hochdorf zu spüren gewesen. Vor mehr als 200 Jahren soll ein französischer Offizier auf der Flucht drei Russen auf einem Feld erschlagen haben. Der Schauplatz der blutigen Tat ist im Volksmund bis heute als Russenloch bekannt. Es gibt aber noch eine zweite Variante der Geschichte.

Über das Hochdorfer Russenloch kann Dorfchronist Alois Krämer ausführlich und aus dem Effeff erzählen – und die Geschichte geht so: In der Neujahrsnacht 1813/14 setzt der preußische Marschall Gebhard Leberecht Blücher mit seinen und russischen Truppen bei Kaub, Lahnstein und Mannheim über den Rhein, um die französische Herrschaft in den linksrheinischen Gebieten zu beenden und Napoleon zurückzutreiben. Nach der Erstürmung einer von den Franzosen errichteten Schanze bei Friesenheim und einem heftigen Gefecht der Russen mit den Franzosen zwischen Maudach und Mutterstadt ziehen die siegreichen Verbündeten schnell weiter. „Auf zottigen Pferden preschte das Kosakenheer nach Westen“, beschreibt es Krämer. Die Wirren der napoleonischen Kriege zogen weite Kreise. In Hochdorf waren zwei Kosaken-Schwadrone untergebracht, die von Haus zu Haus zogen, „Wutki“ (Schnaps) und „Jeikas“ (Eier) verlangten und auch vor dem Federvieh nicht Halt machten. Mit ihren struppigen Bärten, den zuckerhutförmigen Schafspelzmützen, ihren Messern und Schnapsflaschen in den Gürteln ihrer schmierigen Pelzmäntel wirken sie auf die verängstigten Dorfbewohner furchterregend. Raub, Plünderungen und Schlimmeres zählten zu den Schrecken des Kriegs. Auf dem Rückzug der Franzosen kommt es immer wieder zu Scharmützeln. Bei einem soll ein fliehender französischer Offizier drei im Hochdorfer Feld biwakierende Russen im Morgengrauen erschlagen haben. Wie sich die Szene abgespielt haben könnte, hat Krämer im Bild festgehalten. Der Schauplatz der blutigen Tat wird im Volksmund bis heute das „Russenloch“ genannt. Ältere Mitbürger haben die einstige größere Senke an der Gemarkungsgrenze von Hochdorf und Assenheim nahe des Mutterstadter Wegs noch gut in Erinnerung. 1893 gerät das Russenloch erneut in den Blickpunkt. Landwirt Johannes Appel findet dort ein menschliches Skelett, dem Hals-, Arm- und Fußringe aus Bronze beiliegen. „Das Knochengerüst fiel bei der Berührung alsbald auseinander“, heißt es in einem Bericht des Speyerer Museums über die Funde aus der Keltenzeit. 1943 werden Brandbomben, Blindgänger und alte Munition von einem Sprengkommando im Russenloch angesammelt und anschließend gesprengt. Die herumfliegenden Bombensplitter sind interessante Beutestücke für die männliche Hochdorfer Jugend. Das Gelände wird später mit Erdaushub von Kanalarbeiten aufgefüllt und landwirtschaftlich genutzt. Inzwischen tut sich auch eine zweite, größere Geschichte rund um das Russenloch auf. Sie ist im Internet unter Google Books zu finden. In „Meine Pilgerreise zum Heiligen Land im Jahre 1901“ des ausgewanderten Hochdorfers Nickolaus Jörns schreibt Victoria Walker, dass die Russen sieben Soldaten in den Ort schickten, um die Familie Jörns zu töten. Michael Jörns und sein Sohn Nickolaus durchschauten jedoch die Absicht und trugen jungen Hochdorferinnen auf, den Russen Wein zu geben und mit ihnen zu tanzen. Den betrunkenen, schlafenden Soldaten hätten die zwei Männer dann die Kehlen durchgeschnitten. Die Soldaten seien neben der Straße gegenüber dem Schulhaus beerdigt worden. Die Stelle müsste demzufolge in der Hauptstraße liegen. Warum die Familie umgebracht werden sollte und zu welcher Zeit sich das abgespielt haben soll, darüber teilt Walker jedoch nichts mit. Ursprünglich kamen die Jörns-Leute – allesamt Künstler, Lehrer oder Musiker – aus St. Petersburg. Welche der beiden Überlieferungen schlüssiger zu sein scheint, bleibt dem Leser überlassen. Über das Russenloch legt sich indes der Mantel der Geschichte.

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