Ludwigshafen Vollgas beim Rennen um die besten Plätze

Neulich hatte uns eine Kollegin anlässlich ihrer Hochzeit zu einem sehr vergnüglichen Grillabend in einem Mannheimer Vorort eingeladen. Auf dem Weg dorthin kamen wir am Stadtteil Friedrichsfeld vorbei. Ich stupste meine Gattin, die beste Ehefrau von allen, und zeigte in die Dunkelheit: „Dort drüben war mal das Mannheimer Autokino.“ 1000 Stellplätze für die Kinofans gab es damals. Zur Eröffnung im Juni 1968 gab’s für jeden männlichen Besucher (!) eine Dose Bier gratis. Kaum vorstellbar heute. Ich war bei der Eröffnung knapp ein Jahr alt. Das Autokino rückte bei mir erst 16 Jahre später ins Blickfeld. Ältere Freunde hatten ein Auto, und wir fuhren gerne mal nach Friedrichsfeld. Man musste sich sputen, um die besten Plätze zu bekommen. Die begehrtesten Stellflächen waren in der Nähe von der Imbissbude in der Mitte auf dem Areal. Dort waren Hamburger und Dosenbier in Reichweite. Wenn die Einfahrt geöffnet wurde, gab’s immer ein regelrechtes Autorennen. Unsere alten Blechkisten hopsten über die Hügel, die dazu gedacht waren, die Fahrzeugfront anzuheben – damit jeder einen guten Blick auf die 18 mal 36 Meter große Leinwand hatte. Pärchen verzogen sich auch mal an den Rand des Geländes – dabei stand der Film nicht immer im Mittelpunkt des Interesses. Wir waren beim Programm nicht wählerisch. Ich kann mich noch an die Premiere von „Otto – der Film“ erinnern. Ostfriesenblödler Otto Waalkes, der übrigens am Sonntag 70 Jahre alt wird, präsentierte 1985 seinen ersten Kinofilm. Ich saß im Wagen meines Kumpels Hans, er lachte Tränen und warf sich immer wieder vom Lenkrad auf den Fahrersitz zurück. Irgendwann machte die Sitzlehne schlapp und klappte nach hinten weg. Hans musste uns ohne Lehne mit seinem R 5 nach Hause fahren. Das war witziger als der Film. Wir fuhren auch im Winter ins Autokino, denn es gab ja Heizlüfter fürs Wageninnere. Die Stromversorgung war durch ein Kabel gesichert, und der Lüfter bollerte ordentlich Wärme ins Auto. Neben dem Lüfterkabel, das durch einen Schlitz im etwas heruntergekurbelten Seitenfenster hing, gab’s noch ein zweites Kabel für den Lautsprecher, der den Ton zu den Bildern auf der monumentalen Leinwand lieferte. Die regelbare Mono-Box wurde am Fenster, Lenkrad oder Armaturenbrett festgeklinkt. Hat prima funktioniert. Im März 1987 lief der letzte Film im Autokino. Ich war damals bei der Bundeswehr und konnte leider nicht mehr zur letzten Vorstellung fahren. Das Aus kam nicht wegen Besuchermangels, sondern weil die Stadt Mannheim das Gelände an eine Spedition verkaufte, wie ich einem Artikel entnommen habe. Eine kleine Neuauflage gab’s 30 Jahre später im August 2017. Auf dem ehemaligen Franklin-Kasernengelände gab’s für sechs Tage noch mal ein Autokino. Ein Marketing-Gag. Der Ton kam übers Autoradio, die Leinwand war aufblasbar, und es regnete. Trotzdem waren alle Vorstellungen ausverkauft. Soll einer noch sagen, dass Autokinos nicht mehr zeitgemäß seien. Wenn ich heute mit meiner Frau in Ludwigshafen im Kino sitze – eingepfercht zwischen einem Kerl, der die ganze Zeit krachend Nachos frisst, und einer Teenagerin, die ständig Kurznachrichten auf ihrem Handy empfängt – dann wünsche ich mir das Autokino zurück. Die Kolumne Fünf Redakteure berichten für die RHEINPFALZ über Ludwigshafen. Ihre Erlebnisse aus dem (Arbeits-)Alltag nehmen die Redakteure in der Kolumne „Quintessenz“ wöchentlich aufs Korn.

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