Ludwigshafen Unerträgliche Warterei

„Verlass’ mich nicht“ bittet der Sänger Philippe Huguet seine angebetete Madeleine. Begleitet wird er auf dem Akkordeon von Laur
»Verlass’ mich nicht« bittet der Sänger Philippe Huguet seine angebetete Madeleine. Begleitet wird er auf dem Akkordeon von Laurent Leroi.

Warten, immer wieder warten. Das Ausharren, die Vorfreude und wieder: Enttäuschung. „Heute Abend warte ich auf Madeleine“ lautet die Textzeile aus Jacques Brels berühmtem Chanson „Madeleine“, die an diesem Konzertabend im Florian-Waldeck-Saal der Reiss-Engelhorn-Museen wörtlich genommen wurde. Zum 40. Todestag des belgischen Chansonniers huldigen ihm Bariton Philippe Huguet und Laurent Leroi am Akkordeon mit einer zynischen Szenerie aus Musik, Humor, Trauer und gekränkter Verzweiflung.

Die bittersüße Handlung des Chansons bildet in diesem musikalischen Ein-Mann-Theater den Ausgangspunkt einer Szenerie voller Emotionen. Sänger Philippe Huguet tritt dabei in einen fiktiven Dialog mit und über seine angebetete Madelaine. Gekonnt greift er Themen aus Jacques Brels unvergesslichen Liedern auf und spinnt sie eindrucksvoll in eine Handlung, die in poetischer Kraft ein Sammelbild aus Brels musikalischem Schaffen zeichnet. Huguet begnügt sich dabei mit einem Tisch, einer Schreibmaschine, einem Telefon und einer Flasche Wein. Einziger Begleiter sind die markanten Klänge des Akkordeons, mit denen Laurent Leroi die stimmungsvolle Warterei untermauert. Der fließende Wechsel des szenischen und musikalischen Vortrags lässt ein einfühlsames Gesamtbild entstehen, in dem die Zuhörer in das fast unerträgliche Warten auf Madeleine eintauchen. Die Themen kreisen um Liebe, Verzweiflung, Trunkenheit und Hoffnung. Im scheinbaren Dialog leitet der Bariton diese subtil in die Handlung ein, während er auf Madeleines Rückkehr wartet, sie die Zeitung liest oder schläft. Nie antwortet sie, bleibt stumm und abwesend. „Ich soll mir keine Sorgen machen, nur warten und trinken“, heißt es vor „L’ivrogne“, dem Säufer. Huguet leert sein Weinglas und schleudert kraftvoll trunken die Silben ins Mikrophon, sinkt zittrig in sich zusammen, bevor er zum verzweifelten Finale Anlauf nimmt. Mit großer Gestik und Mimik imitiert er den markanten Vortrag Brels, der in theatralischer Manier die Charaktere seiner Chansons stilisierte. Nur das Trinken bleibt ihm, während die Nachtschwärmerin Madeleine sich mit anderen Männern begnügt. Huguet möchte vergessen, aber kann es nicht („On n’oublie rien“). Dann wieder keimt Hoffnung in ihm auf, als sie den Anruf eines anderen Mannes ablehnt: „Nur eines weiß ich, ich liebe dich noch“ („Je ne sais pas“). Mit Zynismus wird der Abend humorvoll aufgelockert, doch das Sehnen nach einer Antwort frisst den Wartenden innerlich auf. Immer wieder versucht er aus seinem Elend auszubrechen („Les timides“, „Fils de …“), aber die unglückliche Liebe ist übermächtig. So bittet er sie am Ende in „Ne me quitte pas“ mit erstickter Stimme, ihn nicht zu verlassen. Dem tragischen Höhepunkt wird leider ein gewisser Abbruch getan, als die Musiker mit einer Zugabe – was Jacques Brel immerzu ablehnte – die wehmütige Stimmung zerstören. Aber ein Chanson musste eben noch kommen: „Madeleine“. Das zahlreich erschienene Publikum dankt es mit großem Applaus und klatscht begeistert zum markanten Rhythmus des „Le Moribond“. Philippe Huguet und Laurent Leroi ist mit ihrem virtuosen Konzert eine großartige Hommage gelungen, die nicht nur die Musik des Chansonniers, sondern auch seine Darbietungsweise wieder aufleben lässt. Huguet verwebt die faszinierende Bühnenerscheinung Brels mit den Protagonisten seiner Lieder und schafft damit eine kompromisslose Atmosphäre aus Wahrheit und Fiktion. Das Warten hat sich gelohnt.

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