Ludwigshafen Traum und Albtraum

James Baldwins Gesamtwerk wird neu übersetzt.
James Baldwins Gesamtwerk wird neu übersetzt.

James Baldwin war ein prominentes Gesicht der schwarzen Bürgerrechtsbewegung, ein Weggefährte von Malcolm X und Martin Luther King. Von seinem Roman „Beale Street Blues“ gibt es eine Neuübersetzung. Die Übersetzerin Miriam Mandelkow hat sie nun im ausverkauften Studio Werkhaus des Mannheimer Nationaltheaters im Rahmen des Festivals „Enjoy Jazz“ vorgestellt.

James Baldwin, geboren 1924 in New York, gestorben 1987 in Saint-Paul de Vence, dem provenzalischen Refugium internationaler Künstler, war als Autor bewundert, wegen seiner Darstellung afroamerikanischer Lebensverhältnisse und der eigenen Homosexualität aber auch angegriffen. Seine Romane wurden in den 60er- bis 80er-Jahren auch ins Deutsche übersetzt, fanden jedoch kaum nennenswerte Beachtung und sind inzwischen vergriffen. Der Verlag dtv hat eine Neuübersetzung des Gesamtwerks in Angriff genommen, die zur Wiederentdeckung eines Autors von Rang führen soll. Als erster Titel ist der autobiographisch geprägte Debütroman „Von dieser Welt“ (Originaltitel: Go Tell It On The Mountain) erschienen, mit dem Baldwin seinen literarischen Weg gefunden hat. „If Beale Street Could Talk“, der 1974 erschienene vorletzte Roman, passt haargenau in die Black-Lives-Matter-Bewegung, die angesichts ungestraften Niederschießens harmloser Schwarzer durch aggressive Cops derzeit Amerika erschüttert. Der deutsche Titel „Beale Street Blues“ ist für einen Meister subtiler Verweise wie Baldwin reichlich trivial geraten. Im Mittelpunkt einer Liebesgeschichte stehen die Justiz und der Gefängnisalltag. Im streckenweise etwas ausufernden Gespräch zwischen der Übersetzerin Miriam Mandelkow und der FAZ-Feuilletonistin Verena Lueken erhielt man sowohl banale als auch interessante Einblicke in das Übersetzergeschäft. Der Mammutauftrag ist für Mandelkow Traum und Albtraum zugleich. Anders als die älteren Übersetzungen ist sie der Musikalität von Baldwins Sprache auf der Spur. Dann wechsele sie vom Alltagsslang der Afroamerikaner unvermittelt in literarische Hochsprache. Baldwins soziale Anklage sei mit seinem literarischen Anliegen identisch. Wie sich das anhört, führten die Schauspielerinnen Tala Al-Deen und Nancy Mensah-Offei kunstvoll und einfühlsam vor. Weit voneinander entfernt, saßen sie sich an den Enden des mit Schummerlampen bestückten Tischs gegenüber. Ihre Stimmen flogen durch den Raum, kreuzten sich, verwoben sich zu einem Dialog, der beeindruckend über verteilte Rollen in den Dialogpartien hinausreichte. Tish sitzt darin ihrem Liebsten Fonny im Gesprächsraum eines Gefängnisses gegenüber. Sie sind durch eine Glasscheibe getrennt und sprechen über Telefon. Fonny soll eine Frau vergewaltigt haben, die er nicht kennt. Tish eröffnet ihm, dass sie ein Kind erwarten. Baldwin erzählt aus der Perspektive von Tish. Unversehens stellt sie Gedanken an, die über den Horizont einer 19-Jährigen hinausgehen. In Baldwins Sprache geht beides bruchlos ineinander über. Die Lesung war ein Erlebnis.

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