Ludwigshafen Stahlharte Finger

Alberto Ferro, 22-jähriger Genuese, hat im vorigen Jahr den Bonner Beethoven-Wettbewerb gegen starke Konkurrenz aus Asien für sich entschieden. Jetzt stand eine Klaviermatinee in der Reihe „Junge Pianisten“ im BASF-Gesellschaftshaus auf seinem Reiseprogramm. Es gab Beethoven, Schumann, Prokofjew und Strawinsky, und alles zusammen machte einen guten Eindruck.

Der Beethoven-Preis in italienischen Händen! 2017 Alberto Ferro, zwei Jahre zuvor sein fast gleichaltriger Landsmann Filippo Gorino, den man vor einem guten Jahr in einer Matinee am gleichen Ort hören konnte, wobei damals Beethovens „Diabelli-Variationen“ als (fast) bewältigte Talentprobe genügen mussten. Ferro hatte mit der F-Dur-Sonate (Opus 10, Nr. 2.) mehr Glück – ist ja auch nicht die ganz schwere Aufgabe. Vergnügt konnte man zuhören, wie leicht Ferro sich in Beethovens übermütig daherpolterndem Sarkasmus zurechtfand. Sportiv ging es durch die Noten, die für die linke Hand waren genau so wichtig wie die für die rechte (also kein Diskant-Geklingel mit Begleitung), alles klar gegliedert, dynamisch perfekt austariert, die typischen Sforzati kräftig, das Presto-Finale mit etüdenhafter Präzision aus den Tasten gestochen. Die Bonner Jury hat den Preis wohl schon in die richtigen Hände gelegt. Es folgte Robert Schumanns „Kreisleriana“ und die Erkenntnis, dass kräftiges Hinlangen kein bestimmten Werken geschuldeter Zufall ist, sondern zur Grundausstattung des Gastes gehört, was in seinem Alter durchaus noch erlaubt sein dürfte. Wiederum frappierte Ferros Musikalität, sein auf solider Grundlage sich austobendes Ungestüm, das sich so gut wie ohne Punkt und Komma an den Vertracktheiten dieses an E. T. A. Hoffmanns bizarrem Kapellmeister Kreisler Maß nehmenden Komponisten-Selbstporträts abarbeitet. Nun war Ferros Version eine von der eher robusten Art, bewegte sich also jenseits jener hippeligen Daueraufgeregtheit, die schon beim Lesen des Notentextes schier schwindlig machen kann. Sergej Prokofjews perkussive sechste Klaviersonate (A-Dur op. 82), eine der drei großen „Kriegssonaten“, beugte sich weit williger den Intentionen stahlharter Finger. Sie ist eminent schwierig und (um den großen russischen Pianisten Emil Gilels zu zitieren) „von barbarischer Kühnheit“. Schroffe Themen, beinharte Rhythmen, Dissonanzen von der krassesten Art, ein aus Krieg und Wut zusammengeschriebener Moloch der Klavierliteratur, an den sich nur wenige wagen. Alberto Ferro wagte nicht, er gewann. Das Publikum bekam viel Lärm auf die Ohren. Positiver Lärm, der Große Saal im Gesellschaftshaus war allerdings etwas zu klein für solche Eruptionen. Wie denn auch Igor Strawinskijs Drei Stücke aus „Petruschka“ jeden Balletttänzer schon auf Grund des scharf angezogenen Tempos in die Bredouille gebracht hätten, aber es war ja die vom Komponisten selbst hergestellte, teuflisch schwer zu spielende Klaviertranskription – und wenn hier auf etwas Rücksicht zu nehmen war, dann nur auf den am zu erwartenden Beifall zu messenden Erfolg. Das gelang. Als Zugabe gab es eine pfeffrig-verspielte Petitesse aus der Feder des alten Rossini. Wäre schön, wenn Ferro sich wieder einmal in unserer Gegend hören ließe.

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