Ludwigshafen Sound einer Stadt

Ihre Tracks zeichnen berührend authentische Skizzen ihrer Herkunft. Die Rapper Blanco und Nefes, mit bürgerlichem Namen Enrique Patino und Berkag Eryigit, haben sich bei ihrem ersten Auftritt im Kulturzentrum Das Haus in Ludwigshafen ins Rampenlicht getraut und mit ihrer Kostprobe überzeugt.

Es war ein Abend zwischen modernem Trap und Oldschool-Straßenrap. 100 Prozent gefühlte und gelebte Erfahrungen werden da verpackt in emotionsgeladene Reime, transportiert von elegisch-treibenden Soundbildern und ausdrucksstarkem Sprechgesang. Die Bühne wirkte wie ein zu enges Gehege ohne Gitterstäbe, in dem sich die Rapper in konstanter Bewegung raubtierähnlich mit Worten Luft verschaffen. In einer unablässigen Wortflut, mal geschmeidig, mal in klassischer Battle-Rap-Manier, befeuerten sie ihr Publikum. Die Pausen zwischen den Tracks füllte der gewohnte Rapper-Fachjargon voll von „Digger“, „Homie“ und „Bruder“. Nefes und Blanco haben mit „Schwarzgeld“ und „Hoodlife“ inzwischen je eine EP beim Mannheimer Music Label Legacy auf den Markt gebracht, und ihre auf Youtube hochgeladenen Videos haben die respektable Tausendermarke geknackt. Bis in den sechs- oder siebenstelligen Klickbereich erfolgreicher Rap-Kollegen liegen zwar noch ein ganzes Stück Arbeit und ein gutes Trendgespür, doch die Uhren im Netz ticken etwas schneller. Dass sie das Zeug dazu haben in Rap-Deutschland ein Wörtchen mitzureden, haben die beiden bei ihrer Feuertaufe im Haus gezeigt. Erstaunlich ist die emotionale Kraft und die Bildhaftigkeit einiger Textzeilen, wie etwa „die Straße ist ein lebenslanger Strafvollzug“ in Nefes Track „Parallelwelt“. Nefes und Blanco nahmen ihr Publikum buchstäblich auf eine anderthalbstündige Reise in eine Parallelwelt mit beinahe dystopischem Ausmaß, öffneten Türen in verborgene Räume, die normalerweise verborgen bleiben. Viele ihrer Songs haben Ludwigshafen zum Thema, Wenn Blanco etwa in „Verlorene Stadt“ über das Gift dieser Stadt singt oder in Nefes „Oh Oh“ die Worte fallen: „So ist das Leben im Brennpunkt“. Auf die Frage, wo die Brennpunkte seien, antworten die Rapper im persönlichen Gespräch unisono: „Es sind die Menschen, keine speziellen Orte“. In „Schlangen“ mit düster, unheilvollem Tick-Tack-Sound besingt Blanco die falschen Freunde, in „Sound für die Hood“ und „Banditen bei Nacht“ malt Nefes himmelgraue Dystopien von Kriminalität und Gewalt. Bei Nefes, dessen Wurzeln in der Türkei liegen, fließen auch Weltmusikeinflüsse in den Rap. So unterschiedlich die Soundbilder der beiden auch sind, Blanco, der mit Frischefaktor guten Trap in Deutschland produzieren möchte, und Nefes, dem Anhänger der Oldschool, ergeben zusammen ein sich gut ergänzende Einheit. Es ist nicht irgendein Sound der da erklingt, es ist der Soundtrack einer ganz bestimmten Stadt: Ludwigshafen.

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