Ludwigshafen Schlicht und ergreifend

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Heimo Zobernigs Werk „Goethe“, das der Förderkreis des Wilhelm-Hack-Museums vor einigen Jah
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht Heimo Zobernigs Werk »Goethe«, das der Förderkreis des Wilhelm-Hack-Museums vor einigen Jahren angekauft hat.

Wie das Bild mit den sechs Farbstreifen zu dem Titel „Goethe“ gekommen ist, erschließt sich dem Betrachter unmöglich durch einen oberflächlichen Blick. Er muss schon in die Gedankenwelt des Künstlers eindringen und sich auf sie einlassen, um den Zusammenhang zu entschlüsseln. Der Verdacht, dass das Bild mit der von Johann Wolfgang von Goethe aufgestellten und hoch und heilig gehaltenen Farbenlehre zu tun haben könnte, weist jedenfalls in die richtige Richtung. Die sechs Streifen entsprechen den sechs Buchstaben des Namens des deutschen Dichters und Naturforschers in einem von Heimo Zobernig eigenmächtig festgelegten Zuordnungssystem von Farben zu Buchstaben. „Goethe“ aus dem Jahr 1998 ist Teil einer Streifenbilder-Serie, die der Künstler seit 1987 geschaffen hat. Wer tiefer in die Entstehung eindringen will, muss zu einem Buch greifen, das er zusammen mit dem Schriftsteller Ferdinand Schmatz aufgestellt hat. Wie Goethe verfolgen die beiden darin Farbtheorien zurück bis in die Antike, weisen auf Widersprüche unter den verschiedenen Theorien hin und krönen diese Zusammenstellung mit einer eigenen Farbenlehre. Vor ein paar Jahren hat der Förderkreis des Wilhelm-Hack-Museums Heimo Zobernigs „Goethe“ erworben. Der Ankauf sollte die Ausrichtung des Museums auf die geometrisch-konstruktive Kunst der Moderne unterstreichen, wie die Kuratorin Astrid Ihle sagt. Nur schlummerte das Bild seitdem im Depot. Inzwischen nimmt es einen prominenten Platz am Kopfende einer Ausstellung ein, die dem österreichischen Künstler in der Reihe „Kabinettstücke“ im ersten Obergeschoss des Museums gewidmet ist. Ähnlich wie das Bild „Goethe“ greift ein Video Zobernigs Farbenlehre auf und stellt auf einer Art Testbild synästhetische Beziehungen zwischen Farben und Tönen her. Der Schwerpunkt der Ausstellung liegt jedoch auf Ausstellungskatalogen, Plakaten und Büchern aus der Werkstatt Heimo Zobernigs. Denn der mittlerweile 61-jährige Künstler hat zwar schon in vielen Kunstsparten gearbeitet, in Malerei ebenso wie in Skulptur, Graphik, Video, Performance und Musik. Er hat viele Stile aufgenommen, unter anderen den russischen Konstruktivismus oder die niederländische „De Stijl“-Bewegung Piet Mondrians. Der studierte Bühnenbildner Zobernig hat jedoch ein ausgeprägtes Faible für angewandte Kunst und auch schon Möbel und Bücher gestaltet. Ungefähr 60 seiner Plakate, Kataloge und ähnlicher Publikationen, denen Zobernig denselben Wert beimisst wie seinen übrigen künstlerischen Arbeiten, sind nun in den Vitrinen der „Kabinettstücke“-Reihe zu sehen. Zwischen den „großen“ Arbeiten Zobernigs und den Objekten der angewandten Kunst ist kein Stilbruch festzustellen. Alle gehorchen einer unaffektierten, aufs Äußerste reduzierten Formensprache Aus sämtlichen Arbeiten spricht eine „nüchterne, transzendenzlose Sicht auf die Welt“, wie Zobernig selbst seine Kunst charakterisiert. Da ist zum Beispiel der Buchumschlag zu „Popocatepetl. 10 Jahre Schallplatten“ des Poptheoretikers Diedrich Diederichsen aus dem Jahr 1989, oben rot, unten grün, der Buchrücken schwarz-weiß. Ein zum Lesen ungeeignetes „Buchobjekt“ aus dem Jahr 1992 ist aufs Elementare reduziert, indem zwei Spanplatten mit einem Scharnier verbunden und innen mit weißer Dispersionsfarbe angestrichen sind. Ebenso schlicht erscheinen das Künstlerbuch „Otium“ des 2012 gestorbenen bedeutenden österreichischen Bildhauers Franz West und der Umschlag für die Schallplatte mit dem aus „Otium“ hervorgegangenen Hörspiel mit Musik von Oliver Augst. Das älteste im Hack-Museum zu sehende Blatt stammt aus dem Jahr 1985 und kündigt eine Ausstellung Zobernigs in der Galerie Peter Pakesch an, die letzte Arbeit stammt aus dem Jahr 2018. Unter anderem für eine Ausstellung Martin Kippenbergers im Jahr 1990 in derselben renommierten Wiener Galerie hat ebenfalls Heimo Zobernig das Plakat gestaltet. Früh hat er sich auf das Format Din A4 festgelegt, und spät tritt er in den zu seinen eigenen Ausstellungen gestalteten Plakaten persönlich mit einem Foto in Erscheinung. Er liebt es, auf den Fotos in einer Art Maskenspiel so aufzutreten, als wäre er soeben der Halbwelt entstiegen. Schon das „Goethe“-Bild ist geeignet, Irritationen auszulösen, indem die Streifen auf dem Quadrat dem Auge ein Rechteck vorgaukeln. Solche und ähnliche Spielereien setzt Zobernig fort, indem er etwa eine Ausstellungsankündigung wie eine einzige weiße Fläche erscheinen und an den Konstruktivisten Malewitsch denken lässt, bis der suchende Blick links unten eine winzig kleine Schrift entdeckt. Auch Rechtschreibfehler wie „Farbenlere“ oder „Austelung“ sind durchaus beabsichtigt. Schließlich hat sich ja auch Goethe nicht an den Duden gehalten. Termin Bis 7. Juli. Öffnungszeiten dienstags, mittwochs, freitags von 11 bis 18 Uhr, donnerstags von 11bis 20 Uhr, samstags, sonntags und an Feiertagen von 10 bis 18 Uhr.

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