Ludwigshafen Rettungssanitäter: Pausenlos im Einsatz

Jens Schröter und Jacqueline Göbel laden einen Patienten in den Rettungswagen, Bundestagsabgeordneter Torbjörn Kartes packt mit
Jens Schröter und Jacqueline Göbel laden einen Patienten in den Rettungswagen, Bundestagsabgeordneter Torbjörn Kartes packt mit an.

Die Samstagsreportage: Zwölf Stunden dauert die Schicht einer Rettungswagenbesatzung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK). Was genau auf sie zukommt, wissen die Sanitäter nie. Klar ist aber: Die Belastung für die Mitarbeiter ist sehr hoch – das wird bei einer Tour im Wagen 1-83/4 mehr als deutlich.

„Hinsetzen, anschnallen, Klappe halten.“ Notfallsanitäter Jens Schröter (46) ist gewiss kein unfreundlicher Mensch. Und doch muss er im Morgengrauen die Spielregeln verdeutlichen. Er und seine Kollegin im DRK-Rettungswagen, die 22-jährige Rettungssanitäterin Jacqueline Göbel, geben gerne Einblick in ihren Berufsalltag. Doch das funktioniert nur, wenn alle wissen, was zu tun ist.

Gerätecheck

Der Arbeitstag beginnt mit einem festgelegten Programm. „Wir überprüfen unsere Ausstattung, schauen, ob alles da ist und alle Geräte funktionieren“, erklärt Schröter. Er und Göbel plaudern mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Torbjörn Kartes (38), der die Arbeit von Polizei, Feuerwehr und Rettungsdiensten näher kennenlernen will und sie deshalb begleitet. „Ich habe hier Zivi gemacht“, sagt Kartes zur fröhlichen Begrüßung in der DRK-Zentrale in der August-Heller-Straße im Stadtteil Mundenheim. Die Morgenrituale sind kaum beendet, da tönt schon der Piepser. Schröter: „Gasalarm in Oppau. Wir müssen mit Blaulicht los.“ In Windeseile sitzen alle im 2,8 Tonnen schweren Fahrzeug. Mit hohem Tempo und im Zickzack-Kurs geht’s durch den morgendlichen Berufsverkehr. Nach neun Minuten ist das Ziel im Oppauer Ortskern erreicht. Schon beim Bremsen ist den DRK-Experten klar: Hier ist nichts Schlimmes passiert. Die Feuerwehr rückt bereits ab. Ein Fehlalarm. Schröter kommt zurück zum Wagen: „Außer Spesen nichts gewesen.“ Es geht zurück zur Wache. Der Oggersheimer feiert im Sommer sein 25-jähriges Berufsjubiläum beim DRK. Er liebt seinen Job – trotz aller Strapazen und der zunehmenden Einsatzdichte. „Ich kann Menschen helfen, da nimmt man alles andere in Kauf“, sagt er. Alles andere, das ist zum Beispiel die körperliche Anstrengung, wenn man mehrmals am Tag Patienten tragen muss. Und auch für die Psyche ist der Job nicht leicht. „Wir wissen ja nie, was kommt. Man sieht viele Schicksale.“ Aber der Beruf des Notfallsanitäters sei extrem spannend: „Wir können Krankheitsbilder erkennen und akute Gefahren für Leib und Leben abwenden“, sagt Schröter.

Team mit Zusammenhalt

Genau das reizt auch Jacqueline Göbel. Die Ruchheimerin hat Ende 2015 nach dem Abitur mit einem Freiwilligen Sozialen Jahr beim DRK begonnen, ist dabei geblieben und beginnt im September die dreijährige Ausbildung zur Notfallsanitäterin. Die langen Arbeitstage, der Schichtdienst und auch die Belastung schrecken sie nicht, betont die 22-Jährige: „Mich haben Rettungsdienste schon von Kindesbeinen an interessiert.“ Sie findet den Beruf sehr spannend: „Wir sind selbstständig tätig und haben im Team einen tollen Zusammenhalt.“ Was die Rettungskräfte vor allem spüren, ist der soziale Wandel. Immer häufiger müssen sie zu Menschen, die nicht mehr alleine klarkommen. „Dadurch sind wir den ganzen Tag auf Achse“, berichtet Göbel. Sie erinnert sich an eine Frau, die nachts das DRK gerufen hatte – „wegen Zahnschmerzen“. Klar sei: Noch mehr Einsätze könne man nicht leisten. „Für den Rettungsdienst muss eine Lösung her“, fordert Göbel.

Wichtige Nachwuchssuche

Das wiederum ist der Job von Politiker Kartes. Deshalb fährt er mit – und packt mit an. „Ich will wissen, wie ich helfen und was ich in Berlin ansprechen kann“, beschreibt er seine Motivation. Wichtig sei etwa die Nachwuchssuche. Er ist beeindruckt. „Zu meiner Zivi-Zeit gab es tagsüber vier Rettungswägen in Ludwigshafen. Heute sind es sechs, und die sind pausenlos unterwegs. Das zeigt die Fülle an Mehrarbeit.“ Schon wieder ertönt der Piepser. „Ein Sturz in Oggersheim“, so Schröter. Dieser Fall zeigt exemplarisch, worüber er und Göbel gesprochen hatten. Der Patient ist ein älterer Mann. Er ist pflegebedürftig und sehr schwach. Schnell ist klar: Daheim kann er momentan nicht versorgt werden. Schröter telefoniert mit dem Hausarzt. Man einigt sich auf die Einlieferung in eine Klinik. Es dauert eine gute Stunde, bis alles geregelt ist. Dabei war er streng genommen kein Fall für den Rettungsdienst, der sich ja um Notfälle kümmern soll. „Aber das kann man nicht wissen, wenn ein Sturz gemeldet wird.“

Schon wieder der Piepser

Kaum ist das Krankenhaus verlassen, piepst es erneut. Schröter: „Wir haben zwei Minuten für die Grundreinigung.“ Dann geht’s weiter in den Hemshof. Wieder ein Sturz. Vor Ort stellt sich heraus, dass hier ebenfalls nichts Schlimmes passiert ist. Aber auch dieser Mann ist so schwach, dass er zur Sicherheit ins Krankenhaus soll. Erneut folgen kleine Untersuchungen sowie ein Abstecher zum Hausarzt, um Einweisung und Transportschein abzuholen. Dass auch Gefahren zum Arbeitsalltag gehören, hat Claudia Koch-Juling (33) hautnah erlebt. Die Notfallsanitäterin begleitet an diesem Freitag den Notarzt. So sei sie schon von einer Betrunkenen heftig getreten worden. Solche Situationen zu verarbeiten, sei nicht einfach, bekennt sie. „Denn wir wollen den Menschen ja eigentlich helfen.“ Auch diese Geschichten will Kartes hören. Um dann nach Berlin zurückzumelden, ob das im Vorjahr verschärfte Gesetz zum Schutz der Rettungskräfte auch greift. Inzwischen ist es Mittag. Die Zwischenbilanz? „Ein normaler Vormittag“, sagt Schröter. Und schon wieder ertönt der Piepser.

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