Ludwigshafen Nur der Moment zählt

Zwei, die sich blind verstehen: Saxophonist Tony Lakatos und Gitarrist Marcus Armani.
Zwei, die sich blind verstehen: Saxophonist Tony Lakatos und Gitarrist Marcus Armani.

Duo – das ist die Königsklasse im Jazz. Zu zweit und ohne Schlagzeug zu grooven, erfordert besonders präzises Timing. Ganz von selbst ist der gemeinsame Klang transparent; das Publikum hört und spürt jedes Detail. „Es wird ein besonders intimer Abend“, kündigte der Club-Betreiber und Kurator des Festivals „Lions Jazz“, Thomas Siffling, an – und er sollte Recht behalten. „Wir spielen ein, zwei Mal im Jahr zusammen“, sagte Marcus Armani über seine Arbeit mit dem in Frankfurt lebenden Tony Lakatos. Und obwohl da praktisch nichts geprobt war, haben die beiden toll zusammengespielt. Das hat so gut funktioniert, weil beide genau gespürt haben, wo der andere Raum braucht oder wo gerade etwas mehr Input unterstützen kann. Alles entwickelte sich aus dem Moment. Ganz klassisch übernahm Lakatos die Führung bei der Vorstellung der Themen, Armani begleitete. Mal spielte er Akkorde mit Wechselbass, wie beim Stride-Piano-Stil, oder er ließ Walking-Bass-Lines marschieren, zu denen er hier und da Akkorde einwarf. Und er spielte nie zu viel, sondern blieb ganz entspannt und öffnete für Lakatos Räume zum Improvisieren. Der Saxophonist, Solist der HR Big Band, spielte elegante Soli, die schon an sich so viel melodische und harmonische Substanz hatten, dass die Gitarre manchmal bloß ein paar tiefe Oktaven zu setzen brauchte, um schon zusammen ein rundes Klangbild zu ergeben. Wenn Armani seinen Chorus bekam, spielte er vorwiegend Single-Note-Linien. Die waren so swingend und geschickt phrasiert, dass auch da der Groove weiter zu spüren war. Gelegentlich warf er ein paar Akkorde ein, doch auch so waren die Harmoniefolgen schon abgebildet. Die Interaktion der beiden Musiker war schlichtweg beeindruckend. Tony Lakatos, geboren 1958 in Budapest, stammt aus einer ungarischen Geiger-Dynastie und sollte auch zuerst Violine lernen. Als Jugendlicher entdeckte er das Saxophon. Er hat auf über 300 Tonträgern mitgespielt, seit 1993 gehört er zur HR Big Band und hat ein eigenes Quintett. Marcus Armani wurde 1982 in Mannheim geboren, lebt in Ladenburg und ist nicht nur als exzellenter Jazzgitarrist bekannt, sondern auch als Veranstalter von Konzerten, Workshops und Sessions. Sehr intim wurde die Atmosphäre gleich zu Beginn des zweiten Teils, als Jutta Brandl „The Summer knows“ anstimmte, ein melancholisches Stück von Michel Legrand. Die Sängerin präsentierte ein breites Spektrum von Stilistiken und Stimmungen, von Jazzblues – wie „Centerpiece“ über einen Dreiviertel-Takt („A Child is born“) – bis hin zu modernen Stücken wie etwa „Leaving“ von Richie Beirach. Sie kann intensive Emotionen ebenso gut ausleben wie locker groovenden Swing. Eindrucksvoll sind ihre Scat-Chorusse, bei denen sie sich in kühne Improvisationen tragen lässt, die auch durch komplexe, anspruchsvoll moderne Harmonien führen. Das Schöne dabei ist, dass man als Zuhörer spürt, dass sie hier nicht routinierte Phrasen singt, sondern kreative Linien aus dem Moment entwickelt. Mit Pianist Martin Preiser versteht sie sich hörbar gut. Er weiß sehr genau zu dosieren, wie er die Sängerin begleitet, rollt ihr geradezu einen Teppich aus, der harmonisch trägt, aber auch tragfähig ist, um groovend zu swingen. Seine Soli sind vor allem Interpretationen der Songs und der Stimmung, die er mit der Sängerin entwickelt. Preiser studierte Jazzpiano am Konservatorium in Luxemburg und in Saarbrücken. Jutta Brandl hat in Folk-Bands gesungen, bevor sie den Jazz entdeckte. Ihr Talent wurde an einem Baggersee entdeckt, wo jemand sie zu Radiomusik singen hörte. Der Jazzgitarrist Ralf Herrnkind nahm sie mit auf eine Session, vier Wochen später hatte sie ihren ersten Gig als Jazz-Sängerin. Sie lebt in Schifferstadt, wo sie im Sommer eine eigene Open-Air-Jazzreihe hat, bei der sie mit Jazzern der Metropolregion stilistisch und thematisch vielfältige Konzerte gestaltet.

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