Ludwigshafen Musik für Kenner

Musste überredet werden, sein großes Idol Roye Albrighton nach dessen Tod zu ersetzen: Sänger und Gitarrist Alex Hoffmeister.
Musste überredet werden, sein großes Idol Roye Albrighton nach dessen Tod zu ersetzen: Sänger und Gitarrist Alex Hoffmeister.

„Nektar ist verdammt lebendig!“, rief Keyboarder Klaus Henatsch am Ende des Konzerts im 7er Club in Mannheim. Fans von Progressive Rock ist die Band seit Anfang der 1970er-Jahre ein Begriff. Neu formiert, haben Nektar Anfang Dezember das Album „Megalomania“ veröffentlicht. Die meisten Songs des langen Konzerts stammten aber aus alten Glanzzeiten.

Der Aufbruch in den Weltraum, die Entdeckung exotischer Kulturen und Weisheitslehren, die Veränderung des Bewusstseins durch diverse Kräutlein – all das spiegelte sich mit Beginn der 1970er-Jahre auch in der Rockmusik wieder. Am Tag nach Uli Jon Roth waren nun Nektar als klingende Zeitzeugen im 7er Club zu Gast. Und wie vor Jahrzehnten spielte die Band lange Stücke oder setzte Stücke zu Suiten zusammen. Dazu gab es eine Menge Licht und Bilder, so dass das Livekonzert fast wirkte wie eine alte „Beat Club“-Sendung mit ihren legendären Bildeffekten. Pünktlich um 21 Uhr beginnt Henatschs Keyboard mit dramatischen Orgelklängen, und das Intro mündet dann in „A Tab in the Ocean“, die knapp 17-minütige A-Seite des gleichnamigen Albums von 1972. Es ist gleichsam ein Paradestück des Progressive Rock: ein großangelegtes Werk mit langen instrumentalen Passagen. Während im „einfachen“ Pop und Rock übersichtliche Liedstrukturen aus Strophen und Refrain dominieren, nimmt der Progressive Rock gerne sinfonische Formen an. Und fortgeschrittene Hörer schätzen auch, dass Melodie- und Harmonieverläufe gerne aus den üblichen Kadenzen ausbrechen. Bei Nektar ist das vor allem bei den älteren Stücken ein deutlich hörbares Stilmittel. Typisch sind auch Takt- und Rhythmuswechsel und anspruchsvolle instrumentale Figuren, bei Nektar jetzt oft parallel gespielt von Gitarrist Alex Hoffmeister und Keyboarder Klaus Henatsch. Wer sich über die Namen wundert: Von den Gründern des Jahres 1969 ist niemand mehr übrig. Roye Albrighton, Gründer und Sänger der Band, ist 2016 gestorben. Er war bis 2015 der Kopf und als einziger durchgängig konstantes Mitglied der Band. Klaus Henatsch, der seit 2007 die Keyboards spielt, war langjähriger Fan, bevor er selber Bandmitglied wurde. Er war es, der Alex Hoffmeister überredete, nach Albrightons Tod einzusteigen. Und wie Henatsch den Zuhörern erklärt, war Hoffmeisters erste Reaktion auf seine Anfrage ein geschocktes „Spinnst du?“, denn es schien Hoffmeister ganz unmöglich, in die Fußstapfen des von ihm bewunderten Albrighton zu treten. Er spielte zuvor bei den Panzerknackern, einer Coverband. Außerdem hat er Songs geschrieben, unter anderem für Bernard Brink und Mary Roos. Nach langem Zureden ließ er sich breitschlagen und begann mit der neu formierten Band zu proben. Bei den Studioaufnahmen sitzt noch Che Albrighton, der Sohn des Gründers, am Schlagzeug. Er hat aber andere Verpflichtungen. Für die aktuelle Tour ist Norbert „Panza“ Lehmann der Drummer, ein erfahrener Prog-Rocker, der schon bei Epitaph, Kathargo und Jane getrommelt hat. Lehmann hat es beeindruckend gut geschafft, die ganzen Breaks, Taktwechsel und komplizierten Strukturen zu spielen. Bassist Tom Fry ist seit 2014 bei Nektar aktiv. Jetzt kann man natürlich fragen, ob eine Band, die nach und nach alle Gründungsmitglieder ersetzen musste, noch dieselbe ist. Es kommt aber letztlich darauf an, welche Musik gespielt wird und wie. Der überwiegende Teil des Konzerts bestand aus alten Stücken, interpretiert von neuen Musikern. Da steht Hoffmeister als neuer Frontmann natürlich im Mittelpunkt. Stellenweise hat er ein bisschen Mühe, einige hohe Töne im Gesang zu erwischen. Das wäre aber leicht zu beheben, wenn die Band den einen oder anderen Song einfach zwei Töne tiefer setzt. Viel wichtiger ist, dass die Darbietung der Band als Ganzes stimmig wirkt. Und das gelingt dieser Formation durchaus gut. Im Publikum sind eine Menge Leute, die noch die früheren Besetzungen erlebt haben. Sie grooven mit, wiegen sich im Takt, manche spielen Luftgitarre oder „dirigieren“ Richtung Bühne. Angesagte Songs werden von den Kennern begrüßt und mit viel Applaus gewürdigt. Auch die Lightshow macht Spaß und unterstreicht die psychedelische Stimmung. Kurzum: Nektar ist durchaus lebendig.

Ihre News direkt zur Hand
Greifen Sie auf all unsere Artikel direkt über unsere neue App zu.
Via WhatsApp aktuell bleiben
x